kritisch gesehen: tanzhochdrei im hamburger zentrum für choreografie
: Traumverloren mit Hand und Fuß

Sie zucken, zittern, verdrehen sich: Zwei Hände, zehn Finger, führen ein fast unheimliches, virtuoses Eigenleben, tanzen kurzzeitig im Licht, flirren im Raum. Für ein paar faszinierende Minuten macht einer der sieben Tänzer*innen, mit denen der Choreograf Aldali’i Tapu gearbeitet hat, seine Hände zu Hauptdarstellern dieses Abends.

Er zeigt damit ein Solo, das so wirkt, als wäre Butoh zu Gast beim Krumping, als würde der japanische „Tanz der Finsternis“ den expressiven afro-amerikanischen Freestyle in mystische Sphären locken wollen. In die einnehmend geheimnisvolle Welt dieser Aufführung, in der verlorene Geschichten erzählt und uralte Rituale gepflegt werden. Tän­ze­r*in­nen aus Samoa, Aotearoa und Hamburg hat Tapu auf die sparsam ausgeleuchtet Bühne gebeten.

Dort vereint er sie zu einer sich anfeuernden Gang, feiert sie in Einzelauftritten zwischen Urban Dance und Voguing, lässt sie zu knisternden Beats tanzen oder sich in weicher Exaktheit verlieren. Es sind hoch atmosphärische Skizzen, die auf ihre ganz eigene, raue Art traumverloren und rätselhaft wirken, nur manchmal geraten sie ein wenig kitschig.

Mit „Manu Malo“ eröffnet Aldali’i Tapu „Tanzhochdrei“ im K3, dem Hamburger Zentrum für Choreografie. Erstmals bündelt das Festival die Uraufführungen der drei Re­si­denz­cho­reo­gra­f*in­nen an einem Wochenende. Seit acht Monaten sind neben dem samoanischen Tanzkünstler Aldali’i Tapu aus Neuseeland der syrisch-deutsche Performance- und Videokünstler Enad Marouf sowie die Choreografin Eng Kai Er aus Singapur hier zu Gast.

Alle drei hatten fast ein Dreivierteljahr Zeit, sich auf die Entwicklung neuer Stücke zu konzentrieren. Entstanden sind höchst unterschiedliche Arbeiten: Enad Maroufs erforscht in „And Now It Is Night“ queere Erinnerung, Verlust und Begehren. Dafür überlagert er Bewegung, Text und Ton und lässt eine nichtlineare Geschichte – aus dem Nahen Osten – entstehen. Eng Kai Er entwirft mit zwei weiteren Per­for­me­r*in­nen in „Cat Broccoli Red Hammer“ ausgeklügelte Experimente, Zeitpläne und Spiele und damit eine unvorhersehbare Choreografie; über eine Katze mit sehr langen Schnurrhaaren, einen Brokkoli, ein Bett aus Geld und einen Hammer.

„Eng Kai hat während der Residenz versucht, einen neuen Arbeitsbegriff zu definieren, und entsprechend ist die Aufführung eigentlich keine; Enad Marouf hat ein visuelles choreografisches Gedicht geschaffen und Aldali’i Tapu hat mit Weg­ge­fähr­t*in­nen aus der urbanen Tanzszene einen Raum für intensive Solomomente eröffnet“, so bringt es der Tanz-Dramaturg Niklaus Bein auf den Punkt. Die Uraufführungen rahmt ein spannendes Programm: Dazu gehört die Videoinstallation „Neon Gestures“ der ukrainisch-kambodschanischen Tänzerin und Choreografin Danielle Preap, einer Arbeit, die den Tanz in der Khmer-Tradition bei Neonlicht betrachtet. Außerdem die Movement Class „Dance Well“ für Menschen mit (und ohne) Parkinson, physische Warm-ups mit Valeriia Hereha und eine Latenight Special/Movement Class mit Majob vand der Shot, die eine Tanzstunde zum Rave werden lässt.Katrin Ullmann

Tanzhochdrei, bis 19. 3., K3 – Zentrum für Choreografie, Jarrestr., Hamburg, Fr und Sa, ab 18.30 Uhr, So ab 17 Uhr