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: Schulsenator verfehlt den Ton

Für eine spontane Äußerung bei „Jugend debattiert“ wird Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD) kritisiert. Er sagte laut einem vom Spiegel dokumentierten Mitschnitt zur Corona-Berichterstattung deutscher Medien, es mache ihn nachdenklich, dass immer alle die gleiche Meinung hätten. „Denn genau das zeichnet eine gute Debatte aus: Sich nicht zufriedenzugeben mit dem ersten hingerotzten Gelaber, ich muss das mal so scharf formulieren, sondern genau nachzufragen: Ist das wirklich richtig? Ist das wahr?“

Laut seinem Sprecher hielt der Senator keine Rede, deshalb gebe es auch kein Manuskript. Rabe habe sich lediglich in einer kurzen Talk­runde zur Debattenkultur spontan zu „Schulschließungen während Corona“ geäußert und viel Applaus bekommen. Angeregt hätten ihn Artikel, die selbst die Medien hinterfragten.

Wahrlich keine schöne Metapher, die „Rotz“ und „Laber“ vereint. Man sieht das Sekret schon triefen. Was der dienstälteste Kultusminister hier wohl verarbeitet, ist eine ungewohnte Erfahrung. Jahrelang war er eine Art Liebling der Bundespresse, stets bekannt für markige Zitate und konservative Ansagen à la: Wir schreiben jetzt wieder richtige Diktate! Wir sorgen dafür, dass sich beim Abitur keiner durchschummelt! Schluss mit Kuschelpädagogik!

Belastbare Langzeitfreundschaft

Mit der Coronapandemie änderte sich das. Schule auf, Schule zu? So eine Fragestellung hatte es nie zuvor gegeben. Als die Ergebnisse einer Genanalyse eines Ausbruchs dieser Krankheit an einer bestimmten Hamburger Schule nicht prompt publiziert wurden, wurde Rabe für eine kurze Zeit vorgeworfen, er bunkere Informationen. Seine Rolle drohte sich in die eines von den Medien gejagten Buhmanns zu verwandeln. Es war übrigens unter anderem die von Rabe bei „Jugend debattiert“ gar nicht erst erwähnte taz, die ihn damals verteidigte, weil seine Behörde nicht bestritten hatte, dass es an Schulen Infektionen gab. Was Rabe offenbar nicht würdigte. Schwamm drüber.

Rabe stritt damals dafür, die Schulen offenzuhalten und den Unterricht in Präsenz durchzuführen, dafür mutete er 20-minütiges Lüften und Maskentragen zu und investierte viele Millionen Euro in Luftfilter. All das war richtig.

Die negativen Folgen der Schulschließungen sind unbestritten. Es gibt Kinder, die das erste Schuljahr über zu Hause blieben und auch im Folgejahr den Einstieg nicht schaffen. Getroffen hat es die benachteiligten Kinder. Alle Kultusminister hatten Recht mit Mahnungen.

Nur hat das, was Rabe bei „Jugend debattiert“ so aufregte, ihm selbst häufig genutzt. In der Regel kauft die Presse dem Herrn ab, was er erzählt. Rabe und die Medien haben eine belastbare Langzeitfreundschaft. Das wird schon wieder. Daran wird auch ein kleiner Fauxpas, aufgenommen mit einem Schülermikro, nichts mehr ändern. Kaija Kutter