Wasserstoffprojekt mit vielen Fragezeichen

RWE will an einem Rheinkraftwerk eine Elektrolyse-Anlage bauen – eine der größten in Deutschland. Ob das aus Sicht des Stromnetzes ein guter Standort ist, bleibt offen

Hier soll der Elektrolyseur hin: Staustufe am Ufer des Rheins mit dem deutschen Flusskraftwerk Albbruck-­Dogern, im Hintergrund das Atomkraftwerk in Leib­stadt in der Schweiz Foto: Erich Meyer/euroluftpild/dpa/picture alliance

Von Bernward Janzing

Am Hochrhein soll eines der größten Wasserstoffprojekte Deutschlands entstehen. Der Energiekonzern RWE will am Rheinwasserkraftwerk Albbruck im Süden Baden-Württembergs einen Elektrolyseur mit 50 Megawatt Leistung aufbauen – so viel wie etwa 25.000 Wasserkocher verbrauchen. Zugleich will der Freiburger Energieversorger Badenova eine 8,5 Kilometer lange Wasserstoffleitung nach Waldshut verlegen, die später bis ins nahe Dreiländereck bei Basel verlängert werden könnte. Dort befindet sich in großem Stil energieintensive alu­mi­nium­ver­ar­bei­ten­de und Chemieindustrie.

Die Unternehmen sprechen von einem „Nukleus für Erzeugung, Transport und Verteilung von grünem Wasserstoff“. Es ist von Investitionen in Höhe von 100 Millionen Euro die Rede. Auf Anfrage räumt RWE allerdings ein, dass das Projekt noch nicht wirtschaftlich sei und es noch keine konkrete Investitionsentscheidung gebe. Erst mit einer hohen Förderung könnte die Anlage lukrativ werden. Da die Zuschüsse im Detail noch nicht klar sind und auch die Preisentwicklung am Strommarkt – ein wesentlicher Faktor – Unsicherheiten birgt, will keines der Unternehmen Prognosen abgeben, was der erzeugte Wasserstoff einmal kosten wird.

Aber gerade das ist für die Industrie, die den Wasserstoff abnehmen soll, die entscheidende Frage. Wie der Deutsche Wasserstoff- und Brennstoffzellen-Verband erklärt, seien Preise jenseits von vier Euro pro Kilogramm für die Indus­trie kritisch. Da für die Herstellung eines Kilogramms Wasserstoff per Elektrolyse aber rund 50 Kilowattstunden Strom nötig sind, wäre ein solcher Preis bei den aktuellen Großhandelspreisen des Stroms selbst dann nicht zu erzielen, wenn außer für den Strom keine weiteren Kosten mehr anfielen.

Auch andere Fragen sind bei dem Projekt in Südbaden noch offen – vor allem jene, ob der Elektrolyseur an dieser Stelle im Stromnetz den Bedürfnissen des Stromsystems gerecht werden kann. Denn in Süddeutschland ist Strom oft knapp, Baden-Württemberg ist in großem Stil Stromimportland. So besteht das Risiko, dass hier mit viel Steuergeldern eine Anlage aufgebaut wird, die die Probleme weiter verschärft. Ungeklärt ist nämlich bisher, ob der Elektrolyseur nur in solchen Stunden laufen wird, in denen es in der Region Stromüberschüsse gibt – was die einzig sinnvolle Va­rian­te wäre. Oder ob man einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb anstrebt, der dann bei Strommangel im Süden das Netz zusätzlich belastet. „So weit, dass wir dazu etwas sagen können, sind wir noch nicht“, heißt es dazu bei RWE auf Anfrage.

„Bis zu 8.000 Tonnen grünen Wasserstoff“ werde man jährlich erzeugen, schreibt RWE

Die verfügbaren Zahlen legen jedoch nahe, dass der Energiekonzern durchaus einen Dauerbetrieb der Anlage in Erwägung zieht: „Bis zu 8.000 Tonnen grünen Wasserstoff“ werde man jährlich erzeugen, schreibt RWE in einer Mitteilung. Da die Anlage rund eine Tonne Wasserstoff pro Stunde erzeugen kann, entspräche das 8.000 Stunden Laufzeit im Jahr – ein praktisch ununterbrochener Betrieb, der auch Zeiten von Stromknappheit nicht ausspart.

Wäre eine solche Anlage in Norddeutschland, wo es aufgrund vieler Windanlagen oft zu viel Strom gibt, nicht besser positioniert als in Süddeutschland? Doch statt auf die Bedürfnisse des Stromsystems einzugehen, verweist RWE auf lokale Gegebenheiten: Man habe einen guten Bauplatz auf dem Gelände des eigenen Kraftwerks.