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: „In Asyldebatten belächelt man uns“

Zum Weltflüchtlingstag diskutiert in Bremerhaven ein Podium über den Zusammenhang von Klima und Migration

Interview Emily Kietsch

taz: Frau Braun, warum thematisieren Sie zum Weltflüchtlingstag den Klimawandel?

Katherine Braun: Wo es ohnehin Hunger- und Ressourcenkonflikte gibt, verstärkt der Klimawandel bestehende Probleme und Krisen. Der Klimawandel allein führt aber nicht zu Fluchtbewegungen, er steht mit Faktoren wie Ernährungsunsicherheit, kriegerischen Konflikten und Ressourcenknappheit in Wechselwirkung. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Gründe zu fliehen. Extremwetterereignisse wie Starkregen oder Hurrikans führen zu einer direkten Vertreibung. Langsam fortschreitende Klimaveränderungen, die langfristig Lebensgrundlagen zerstören, führen zu anderen Formen der Migration.

Ist Klimamigration denn definiert?

Eine Definition ist schwierig, das hängt auch von der Art des Wetterphänomens ab. Im Kontext des Klimawandels ist die Unterscheidung zwischen freiwilliger und erzwungener Migration verwischt. In internationalen Kontexten spricht man deshalb von menschlicher Mobilität. Der Begriff führt verschiedene Dimensionen zusammen und weist zugleich auf eine bestehende Schutzlücke hin: Bei dem Begriff Flucht denkt man an die Genfer Flüchtlingskonvention. Aber unter deren Schutz fallen Menschen, die wegen des Klimawandels fliehen, nicht.

Foto: Robert Matthies

Katherine Braun

46, ist Migrationswissenschaftlerin und Referentin für Flucht und Menschenrechtsfragen bei der Nordkirche.

Was muss passieren, damit diese Schutzlücke geschlossen wird?

Wenn man die Flüchtlingskonvention ändert, besteht Anlass zur Sorge, dass diese verwässert wird. Daher wäre ein Zusatzprotokoll sinnvoll, das den Schutz von Menschen regelt, die wegen des Klimas fliehen müssen. Bei Abschiebeverboten könnte die Klimakrise im Herkunftsort als Bedrohung für Leib und Leben berücksichtigt werden. Da gibt es erste Urteile. Wir brauchen aber eine Vielzahl verschiedener Instrumente, auch ganz pragmatische: zusätzliche legale Migrationswege und mehr regionale Abkommen, die Migration zwischen Regionen erleichtert.

Wie meinen Sie das?

Filmabend und Podiums­diskussion „Brückenschlag“: Di, 20. 6., 16 Uhr, Klimahaus Bremerhaven

Zahlen belegen: Viele Menschen migrieren in die ihnen am nächsten liegende sichere Region, manchmal auch nur vorübergehend, wenn zum Beispiel ein Familienangehöriger für Erntearbeiten oder in Städte migriert. Dafür braucht es Ansätze, die den Menschen ermöglichen, in Würde in ihrer Region zu bleiben, aber auch geschützt migrieren zu können. Wenn legale Wege der Migration fehlen, wählen Menschen lebensgefährliche Routen und sind Menschenrechtsverletzungen und Ausbeutung ausgeliefert.

Haben Sie das Gefühl, dass es überall angekommen ist, dass man Klima und Flucht zusammendenken muss?

In Klimaverhandlungen schon, auch dank der Klimabewegung. In Asyldebatten überhaupt nicht, da belächelt man uns, wenn wir über zusätzliche Schutzmechanismen sprechen. In der Klimadebatte herrscht hingegen noch die Auffassung: Wir müssen die Menschen schützen, sodass sie nicht fliehen müssen. Das ist richtig, aber man darf dann nicht sagen: Darum sollten sie nicht kommen. Um klimabedingte menschliche Mobilität zu adressieren, müssen wir das Silo-Denken loswerden. Verschiedene Politikfelder kommunizieren nicht miteinander, sie widersprechen sich sogar. Während die Entwicklungszusammenarbeit und die Klimapolitik Migration auch als Anpassungsstrategie anerkennen, wird Klimawandel in der Migrations- und Asylpolitik eher als Gefahr für die innere Sicherheit gedeutet. Wir entfernen uns immer mehr von menschenrechtsorientierten Ansätzen. Das macht auch die Reform des europäischen Asylsystems deutlich.