apokalypse der woche
: Big Brother gegen Letzte Generation

So sieht es also aus, wenn man für eine „kriminelle Vereinigung“ gehalten wird: Telefonanrufe werden mitgehört, Standortdaten von Handys ermittelt, Mailboxen abgerufen und E-Mails in Echtzeit mitgelesen.

All das haben Er­mitt­le­r:in­nen des Bayrischen Landeskriminalamtes auch bei Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Gruppe Letzte Generation gemacht – und zwar monatelang, wie die Generalstaatsanwaltschaft München am Sonntag bestätigte. Die Beschlüsse dazu erlassen hatte das Amtsgericht München wegen „des Anfangsverdachts der Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“. Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Samstag als erstes Medium.

Die Abhöraktion gegen ihre Ver­tre­te­r:in­nen und Mitglieder empört die Bewegung. Dass etwa auch private Telefongespräche mitgehört und protokolliert worden seien, sei „verstörend“, erklärte Sprecherin Carla Hinrichs am Samstag. Die Grünen kritisierten, dass offenbar auch Gespräche mit Jour­na­lis­t:in­nen mitgehört wurden. Die Deutsche Polizeigewerkschaft nannte die Überwachung dagegen „rechtlich einwandfrei“.

Die möglicherweise gleichfalls betroffene Aktivistin Imke Bludszuweit nannte es „absurd und erschreckend, welche Geschütze hier aufgefahren werden, um friedlichen Protest zu unterdrücken“. Die Letzte Generation, die wegen ihrer Blockade­aktionen zuletzt zunehmend in die Kritik geraten war, erklärte in einer Mitteilung, ob die Überwachung noch anhalte, sei unklar. Die Bewegung werde jedoch weitermachen.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte das Vorgehen der bayrischen Generalstaatsanwaltschaft „völlig unangemessen“. Der Vorfall zeige, „dass es falsch ist, dass Staatsanwälte politisch weisungsgebunden sind“, so Bartsch im Kurzbotschaftendienst Twitter. Sie würden in „einem unanständigen Wahlkampf missbraucht“.

Es sei „ein schwerwiegender Vorfall“, wenn die Vermutung unwidersprochen im Raum stehe, dass Polizei und Justiz gezielt Abhöraktionen gegen Jour­na­lis­t*in­nen angeordnet hätten, erklärte der medienpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Erhard Grundl. Dies wäre nicht mit der Pressefreiheit zu vereinbaren. „Der bayerische Justizminister und der bayerische Innenminister müssen sich erklären“, forderte er.

„Niemand steht über dem Gesetz, auch die Letzte Generation nicht“, erklärte hingegen der Bundesvorsitzende der im Deutschen Beamtenbund organisierten Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. „Strafprozessuale Maßnahmen richten sich nach dem Tatverdacht und der Schwere der Straftaten, die den Verdächtigen vorgeworfen werden.“ Da dürfe „Sympathie für vermeintlich gute Ziele keine Rolle spielen“. Die Abhörmaßnahmen seien „durch unabhängige Richter genehmigt“ und könnten „jederzeit überprüft werden, auch nachträglich“. (dpa)

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