das wird
: „Einstellung für Einstellung extra getanzt“

Werkschau mit Weltpremiere: Ballett auf der Leinwand des Hamburger Metropolis-Kinos

Interview Wilfried Hippen

taz: Martin Aust, wenn bei Ihnen „Tod in Venedig“, „Die Kameliendame“ oder „Anna Karenina“ auf dem Programm stehen, sind das nicht die bekannten Spielfilme – Sie zeigen ab heute Inszenierungen von Hamburgs Ballett-Chef John Neumeier.

Martin Aust: Es zeichnet ja die Arbeit von John Neumeier aus, dass sein Repertoire sich auf die Literatur bezieht. Seine Inszenierungen sind getanzte Literatur.

Schon, aber sind sie nicht auch getanztes Kino? Bei der „Kameliendame“ denkt man doch sofort an die Garbo, bei „Tod in Venedig“ an Visconti.

Ich meine, für Neumeier ist immer die Literatur die Grundlage – nicht das Kino. Aber er weiß sicher auch um diese Rückschlüsse, die ja nicht zu vermeiden sind.

Interessant ist auch, dass Ihr Kino, das Metropolis, gleich neben der Hamburger Staatsoper zu finden ist.

Ja, und mit einer Ausnahme sind die Filme auch nebenan auf der Bühne gedreht worden.

Foto: Katrin Schneider

Martin Aust

*1954, war zwischen 1978 und 1980 Aufnahmeleiter bei Filmproduktionen. Der studierte Germanist ist seit 2005 Leiter der Kinemathek Hamburg.

Der Zeitplan macht es möglich, nach dem Kinobesuch hinüberzugehen und eine Ballettaufführung zu besuchen. Bieten Sie so etwas wie das Vorprogramm?

Ja, dies ist eine Kooperation mit dem Hamburg Ballett und die Auswahl der Filme wurde zusammen mit John Neumeier getroffen. Beim Vorverkauf sind die Leute oft überrascht, wie günstig Karten sind: Bei uns zahlt man weniger als zehn Euro – die Eintrittkarten in die Oper kosten viel mehr.

Nun sind es keine Kinofilme – was macht den Unterschied aus?

Bis auf „Die Kameliendame“ aus dem Jahr 1987 – den Neumeier für die berühmte Ballerina Marcia Haydée gemacht hat und der dann von der Presse hoch gelobt wurde – sind diese Filme nicht im Kino gelaufen. Es waren Kooperationen mit dem Fernsehen. Und sie wurden produziert, damit diese berühmten Inszenierungen aufgehoben werden und man sie auch dann noch sehen kann, wenn sie nicht mehr aufgeführt werden.

Es fällt auf, dass John Neumeier als Regisseur genannt wird und nur manchmal, an letzter Stelle, auch noch die Namen der eigentlichen FilmregisseurInnen auftauchen. Sind es also doch eigentlich nur abgefilmte Ballett­aufführungen?

Filmprogramm zu den 48. Hamburger Balletttagen: www.metropolis­kino.de/­themen?theme=69

Nein, das Ballett wird nicht während einer Aufführung aufgenommen, sondern es wird extra Einstellung für Einstellung für den Film getanzt. John Neumeier ist ja vor allem Ballettmeister, kein Filmemacher, und so hat er natürlich immer jemanden, der ihm hilft. Aber auch bei der filmischen Inszenierung ist sein Einfluss groß.

So ist die Filmreihe also eine Retro­spektive Neumeiers, der in der vergangenen Woche gerade Ehrenmitglied der Staatsoper wurde – nach 50 Jahren als deren Ballettchef?

Das kann man so sagen. Aber die Verfilmung seines Balletts „Anna Karenina“ ist ganz neu: Die zeigen wir als Welturaufführung. Da gab es bei uns gerade die interne Premiere für alle Tänzer und Tänzerinnen sowie für Neumeier selbst. Und am kommenden Freitag findet dann bei uns die allererste öffentliche Vorstellung statt.