Gutes Klima für Umwelt-Klagen

Im Kampf gegen Umweltzerstörung, Erderwärmung und ihre Folgen werden sogenannte „Klima-Klagen“ zunehmend zu einem probaten Mittel. Nach einer Untersuchung des Grantham Institute der London School of Economics gab es zwischen 1986 und 2022 global etwa 2.000 solcher Klagen, davon erfolgten rund ein Viertel in den letzten drei Jahren. Angeklagt wurden in erster Linie Staaten. Rechtsgrundlagen sind etwa das Pariser Klima-Abkommen oder das deutsche Klimaschutz-Gesetz, auf die sich Klä­ge­r*in­nen berufen.

Zunehmend richten sich Klagen von Ak­ti­vis­t*in­nen und NGOs auch gegen einzelne Unternehmen, welche die ökologischen Kosten in Form von Treibhausgasemissionen allerdings „externalisieren“. Da inzwischen zumindest grob der Anteil bestimmter Unternehmen an den globalen Gesamtemissionen berechnet werden kann, lässt sich so die Forderung untermauern, sie für die ökologischen Folgen ihrer Aktivitäten verantwortlich zu machen.

Einer der prominentesten Fälle ist der des peruanischen Bergbauern Saúl Luciano Lliuya, der den Energiekonzern RWE 2015 vor dem Oberlandesgericht Hamm verklagte. Durch die Gletscherschmelze sind er und 50.000 weitere Menschen von einer Flutwelle bedroht. Lliuya fordert von RWE, Schutzmaßnahmen zu finanzieren, die dem RWE-Anteil von 0,5 Prozent an allen globalen Emissionen entsprechen.

Während die USA in Sachen Klimaklagen als Vorreiterin gelten, hat sich zuletzt in den Niederlanden eine besondere Dynamik entwickelt: 2015 gewann die NGO Urgenda einen Prozess, in dem sie vom niederländischen Staat eine Senkung der CO2-Emissionen um 25 Prozent gefordert hatte. 2019 wurde dies in letzter Instanz bestätigt. Im Mai 2021 entschied ein Gericht in Den Haag, Shell müsse seinen CO2-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent senken. Geklagt hatte Mi­lieu­defensie, ein Ableger der Umweltorganisation Friends of the Earth. Shell hat Berufung eingelegt.

Ebenfalls 2021 wurde Shell in Den Haag wegen Öllecks des nigerianischen Tochter-Unternehmens im Nigerdelta verurteilt. Vier nigerianische Bauern hatten Shell mit Hilfe von Milieudefensie verklagt. Erstmals wurde damit gerichtlich die Haftbarkeit eines multinationalen Unternehmens für die Aktivitäten eines Tochterunternehmens festgestellt. 2022 zahlte der Konzern 15 Millio­nen Dollar Entschädigung. Auf der Website http://climatecasechart.com/ ­findet sich eine Datenbank mit ausführlichen Informationen zu Klima-Klagen weltweit, unterteilt in Verfahren gegen Regierungen und Unternehmen.

Tobias Müller, Amsterdam