HERMANN-JOSEF TENHAGEN HAUSHALTSGELD
: Längere Röcke, weniger Glatze

Wie man erkennt, ob Geldgeschäfte seriös sind? An den Beinen der Frauen und dem Haarschnitt der Männer

Die Voraussetzungen für einen ordentlichen Messetag waren nicht gerade ideal. Die Sonne schien unentwegt am ersten wirklich warmen Frühlingswochenende. Die Temperaturen auf dem Stuttgarter Messevorplatz erreichten mehr als 25 Grad. Und doch präsentierten sich die Aussteller auf der Anlegermesse „Invest 2012“ seriöser als in früheren Jahren.

Regelmäßige Messebesucher können diese Seriosität quasi auf den ersten Blick erkennen. Grundregel Nummer eins: Je kürzer die Röcke der Hostessen, desto weniger seriös die Angebote. Und die Röcke waren in diesem Jahr ein deutliches Stück länger als bei den Rohstofffonds und Zockerbuden in den vergangenen Jahren.

Auch beim Blick auf die Männer, die die meisten Stände auf der Anlegermesse betreuen, gibt es einen Frühindikator fürs bessere Angebot: Je kürzer der Haarschnitt, desto mehr Vorsicht. Glatzköpfe leuchten auf dieser Art der Anlegerampel knallrot. Und auch dieser Indikator zeigt an, dass es bei dieser Leitmesse für Anleger gesitteter zugeht als sonst.

Ein möglicher Grund: Der Börsenschock des vergangenen Jahres. Er hat vielen Hobby- und Profispielern an der Börse den Spaß verdorben, gerade auch Zertifikate-Anlegern. Als die Börse im August 2011 in zehn Arbeitstagen um über zwanzig Prozent nach unten rauschte, verloren viele von ihnen einen großen Teil ihres Einsatzes.

Anders als bei den Rohstoffbuden bedeutet bei den Zertifikaten weniger Erfolg aber noch nicht weniger Angebot. Vielleicht sind es ja Nottriebe, aber die Zahl der Zertifikate erreicht mit 900.000 aktuell einen neuen Höchststand auf dem deutschen Markt.

Für die Aufsicht über all diese Papiere ist die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) zuständig. Ja, auch die Wetten der Zertifikate-Anleger werden in Deutschland beaufsichtigt, ein bisschen wenigstens. Und natürlich ist auch die Bafin auf der Anlegermesse.

Wer will, kann sich am Stand die Aufsicht erklären lassen: Wenn eine Bank ein neues Zertifikat anbieten will, muss sie zunächst einen dicken Prospekt mit den Geschäftsbedingungen erstellen und den bei der Bafin einreichen. Die prüft dann von Gesetzes wegen, ob der Prospekt vollständig ist, nicht ob er richtig ist. Wenn er vollständig ist, wird er gebilligt. Diese Prüfung kostet die Bank ein paar tausend Euro.

Das konkrete Angebot, das der Kunde bekommt, ist dann eine von hunderten Versionen dieses Prospekt-Zertifikats. Wichtig ist der Bafin: Diese konkreten Angebote werden nicht mehr geprüft, die Anbieter müssen ihre neuen Versionen nur vorher an die Bafin schicken – und die heftet jede einzelne Version ab – für 1,55 Euro das Stück. Längere Röcke und mehr Abheften, vielleicht werden Geldgeschäfte ja bald wieder so langweilig wie in meiner Jugend. Und die „Invest 2012“ war dafür nur der Anfang.

Der Autor ist Chefredakteur von Finanztest Foto: Karsten Thielker