„Wir müssen mehr reisen“

Wolf Michael Iwand steht für das ökologische Engagement des TUI-Konzerns. Er kämpft für weniger Wasserverbrauch in touristischen Anlagen und den Schutz der Landschaft. Beim Fliegen allerdings setzt er ganz auf die freien Kräfte des Marktes

INTERVIEW HANNA GERSMANN
UND EDITH KRESTA

taz: Herr Iwand, Sie halten es für umweltverträglicher, Urlaubsmassen an einen ökologisch perfekt gestalteten Touristenort zu schicken, als individuell ein Land zu erkunden. Warum?

Wolf Michael Iwand: Das ist das Gesetz der großen Zahl. Da ist der ökologische Hebel so viel größer als bei einzeln Reisenden, die absolut ökologisches Unheil anrichten können.

Immer weiter, immer exklusiver reisen – das bieten Reiseveranstalter wie die TUI. So werden die letzten Naturparadiese von Touristen erobert.

Ganz im Gegenteil. Wo die Old Economy abgelöst wird, kommen wir mit dem sozial und ökologisch kontrollierten Tourismus. Wir schützen Natur, dieses Interesse hat nur der Tourismus, nicht die Landwirtschaft oder andere Industriesektoren.

Die Reisebranche sei ein ökonomischer Riese – und ein ökologisches Monster, haben Sie einmal gesagt. Was hat sich daran geändert?

Das stimmte noch nie. Ich bin ein absoluter Verfechter der großen ökologischen Chance, die sich durch den Tourismus ergibt.

Beispiel Dominikanische Republik: Der Tourismus boomt, doch sobald Sie die touristischen Anlage verlassen, kommen Sie in absolute Armutsregionen. Wo trägt der Tourismus zur Entwicklung der Insel bei?

All-inclusive-Angebote sind immer nur der Marktöffner. Wir sind damit auf dem richtigen Weg. Die Entwicklung geht immer nach vorne, zum Besseren.

Das kann man bezweifeln …

Der spanische Diktator Franco wollte Mallorca zunächst zu einer Gefängnisinsel machen. Lanzarote sollte eine Müllinsel werden. Schauen Sie sich das Erreichte an!

Gern. In Mallorca gab es die Ökosteuer für Touristen, die wurde auch auf Druck der Reiseveranstalter gegen eine freiwillige Abgabe ausgetauscht.

Lieben Sie Steuern? Nicht politischer Druck, sondern der Wähler hat entschieden. Für die mallorquinische Regierung war die Ökosteuer der GAU. Dass weniger Urlauber kamen, hat die Balearen in eine Schieflage gebracht, aber keinen ökologischen Nutzen gebracht.

Das sehen Umweltorganisationen anders. Sollen die paar Cent Ökosteuer tatsächlich für die Flaute verantwortlich sein, oder war es die allgemeine Krise der Branche nach dem 11. September?

Die neue Regierung hat jedenfalls die Green Card als freiwillige Maßnahme eingeführt. Diese Abgabe wird von uns unterstützt.

Wird sie auch angenommen?

Sie hat Startschwierigkeiten.

Andere Reiseveranstalter, Studiosus etwa, liefern ihren Kunden Daten über den CO 2- Ausstoß bei einer Flugreise, empfehlen die Bahn für kurze Strecken. Warum gibt es das bei Ihnen nicht?

Die CO2-Bilanz von einem Flug oder einer Bahnfahrt ist so ein schwieriges Rechenexempel, dass die Zahlen, die im Umlauf sind, von uns nicht akzeptiert werden können und von unseren Kunden nicht verstanden werden.

Sie machen es sich zu einfach. Atmosfair, eine Kampagne u. a. von Germanwatch und dem Forum Anders Reisen, berechnet solche Daten längst.

Das ist aber eine Methode, die grundsätzlich gegen das Fliegen eingestellt ist. Damit würden wir uns selbst in den Rücken fallen.

Warum hat die große TUI Probleme damit, aber kleine Anbieter wie das Forum Anders Reisen nicht?

Weil das Forum aggressives Marketing betreibt. Dennoch haben nicht viele Reisende an dem Versuch teilgenommen. Alle Zahlen, die veröffentlicht werden, sind marginal. Das Modell funktioniert nicht.

Die TUI könnte es puschen.

Aber die TUI wird das nicht tun. Warum sind denn Spanien oder Irland gegen die Kerosinsteuer? Weil der Tourismus ihnen etwas bringt. Wir könne nicht uns selbst infrage stellen. Stattdessen ökologisieren wir die TUI-Flieger: Senkung des Kerosinverbrauchs, Senkung der CO2-Emissionen. Das bringt erheblich mehr Klimaschutz.

Das greift nicht, wenn sich Ihre neueste Idee durchsetzt: weg von der Pauschalreise, hin zu Bausteinen. Das heißt: Mit dem Billigflieger nach Mallorca, dann in eines Ihrer Hotels.

Ach, wir hängen uns immer am 19,99-Euro-Tarif auf. Der durchschnittliche Preis für ein One-Way-Ticket liegt bei 70 bis 80 Euro. Auch den Preis machen wir nicht, wir reagieren auf den Markt. Und Umweltschutz gibt es nicht zum Nulltarif. Die TUI macht ihre Investitionen nicht aus Eigennutz. Der Kunde muss bereit sein, dafür zu zahlen.

Wie viel muss er drauflegen?

Das ist schwierig zu sagen. Denn was ist zum Beispiel das Leben eines Schmetterlings wert?

Anders gefragt: Wie viel Geld ist von der TUI bisher in den Umweltschutz geflossen?

Das ist eine Zahl, die wir aus guten Gründen bisher nicht veröffentlicht haben.

Müssen wir vielleicht einfach nur weniger reisen?

Nein, wir müssen mehr reisen. Meine Vision ist: Tourismus wird die ökologische Leitökonomie des 21. Jahrhunderts, gerade für Regionen, die ansonsten vom Weltmarkt abgehängt werden.