„Frauen sind sichtbarer. Und sicherer“

Daikato*, 34, Aktivist* aus Shiraz

Eine der wichtigsten Veränderungen, die ich während der Frau-Leben-Freiheit-Bewegung in Iran erlebt habe, ist, dass der große Unmut der Menschen über die Zivilgesellschaft durch eine große Hoffnung ersetzt wurde. Ich selbst wollte letztes Jahr schon aus dem Iran auswandern. Ich war enttäuscht von der iranischen Gesellschaft. Ich habe so oft gedacht: Hier ist weder eine Heimat für mich noch sind die Menschen hier meine Leute. Aber all das wurde durch die Parole „Frau Leben Freiheit“ vor allem von Jugendlichen auf den Straßen Irans weggeblasen. Iran wurde zu meiner Heimat und Ira­ne­r*in­nen wurden meine Leute.

Jetzt, ein Jahr nach der „Dschina-Revolution“, hat sich einiges verändert. Einer meiner Freunde sagte mir: „Das Andere in der Gesellschaft wurde durch diese Bewegung sichtbar und anerkannt.“ Ein anderer Freund sagte: „Ich habe jetzt ein stärkeres gesellschaftliches und politisches Bewusstsein.“ Ein anderer sagte: „Jetzt weiß ich mehr über Minderheiten. Ethnische Minderheiten und Genderminderheiten. Queerfeindlichkeit wurde durch diese Bewegung weniger.“

Viele haben sich verändert und diese Veränderungen zeigen sich nicht nur in den Metropolen. Auch in Dörfern in den südlichsten Teilen Irans erlebt man das. Frauen sind sichtbarer und deutlich sicherer. Vor der Bewegung hat man nach 23 Uhr keine Frau ohne männlichen Begleiter in den Dörfern gesehen. Jetzt sieht man sie, wie sie Besorgungen machen, Schischa rauchen und Brot verkaufen, auch spätabends, ohne dass sich die Männer verpflichtet fühlen, sie zu beschützen.

Das Wichtigste ist aber, dass wir üben, in Freiheit zu leben. Das Gefühl ist einzigartig. Die Repressionen sind zwar intensiver geworden, aber sie werden von der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert. Wir warten nur auf den richtigen Moment – und dann explodiert es wieder. Protokoll: Mina Khani