doppelblind
: Regional ist optimal

Worum geht’s?

Landwirtschaft muss sich dringend verändern, denn sie verursacht mehr als ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen. Hauptverursacher dieser Gase ist die Tierhaltung, etwa 20 Prozent entstehen durch Transportketten. Ein vielversprechender Ansatz heißt daher Re-Regionalisierung. Produktion vor Ort wäre zum einen klimafreundlicher, hätte aber auch den Vorteil, die lokale Wirtschaft zu stärken und von globalen Abhängigkeiten zu befreien. Könnte Deutschland sich wirklich vollständig selbst versorgen?

Die Studie

Diese Frage haben, ganz lokal und regional, zwei Forscherinnen der Hochschule Fulda am Beispiel des Bundeslands Hessen untersucht. Ihre Ergebnisse haben sie im Fachmagazin Sustainability veröffentlicht. Ihr Fazit: Theoretisch könnten die Hes­s:in­nen sich selbst versorgen – allerdings nur, wenn sie sehr viel weniger Fleisch essen. Soll so viel Tier wie bisher auf hessischen Tellern liegen, bräuchte es pro Person 767 Quadratmeter Grünland pro Kopf, ein halbes Handballfeld, allein um den Bedarf an tierischen Produkten und Futtermitteln zu decken. Tatsächlich stehen pro Person aber nur 467 Quadratmeter zur Verfügung. Mit diesem Speiseplan wäre laut der Studie eine Selbstversorgung nicht möglich. Aber was wäre, wenn alle weniger tierische Produkte, insbesondere weniger Fleisch essen würden? In einem zweiten Schritt berechneten die Forscherinnen den Flächenverbrauch unter Voraussetzung der „Planetary Health Diet“. Das ist ein Referenzplan für eine gesunde Ernährung und einen gesunden Planeten, den 2019 eine internationale Expertenkommission erarbeitet hat. Die Planetary Health Diet ist vorwiegend pflanzenbasiert, hungern muss dabei aber niemand: Fleisch gäbe es noch ein bis zweimal pro Woche, Fisch einmal, stattdessen landen mehr Nüsse, mehr Getreide und Gemüse direkt auf dem Teller statt wie bisher vor allem im Tierfuttertrog. Würden weniger tierische Produkte konsumiert, hätte Hessen laut Berechnungen der Studie ausreichend Grünland- und Ackerflächen, um sich selbst zu versorgen. Der Bestand an Milchkühen könnte dabei auf die Hälfte, der an Mastschweinen auf ein Fünftel verringert werden. Was die Studie nicht berücksichtigt: Lebensmittelkategorien wie Obst oder Getränke, die ebenfalls Bestandteil der täglichen Ernährung sind.

Was bringt’s?

Ein Patentrezept für klimafreundliche Landwirtschaft gibt es nicht, denn landwirtschaftliche Bedingungen und Ernährungsgewohnheiten unterscheiden sich von Land zu Land und von Kultur zu Kultur. Es ist daher sinnvoll für Entscheidungstragende, die Bedingungen in ihrer eigenen Region zu kennen. Der Vorteil von kleinen Studien wie dieser ist, dass sie, anders als globale Überschlagsrechnungen, re­gio­nale Eigenheiten miteinbeziehen können. Die Forscherinnen gehen davon aus, dass ihre Ergebnisse sich auf andere Regionen mit ähnlichen Konsummustern übertragen lassen. Und sie hoffen, Ver­brau­che­r:in­nen aufzuzeigen, wie viel Land nötig ist, um sie sattzukriegen.

Neue wissenschaftliche Studien stellen wir jede Woche an dieser Stelle vor – und erklären, welchen Fortschritt sie bringen. Sie wollen die Studie finden? Jede hat einen Code, den sogenannten Digital Object Identifier, kurz DOI. Hier lautet er: https://doi.org/10.3390/su15118675

Adefunmi Olanigan