Heiße Herzen und viel Stückwerk

Bei der 5. kulturBdigital-Konferenz diskutierten Berliner Kultureinrichtungen über den digitalen Wandel

Von Tom Mustroph

Berlins Kultureinrichtungen wollen digitaler werden. Aus diesem Grund rief letzten Mittwoch unter dem Stichwort „permanently temporary“ die Technologiestiftung Berlin zu einem Netzwerktreffen derer auf, die den digitalen Wandel in den Kunst- und Kultureinrichtungen gestalten. Auffällig dort war: Der Ton hat sich verändert. Tina Lorenz, Digitalchefin des für seine VR-Projekte bekannten Staatstheaters Augsburg, forderte die Kulturpolitik auf, endlich passende Rahmenbedingungen für digitale Produktionen zu schaffen.

Bislang war das Kreieren von VR-Games und Augmented Reality-Walks vor allem eine Sache leidenschaftlicher Pionier*innen, die isoliert vor sich hinwerkelten, gelegentlich Unterstützung bekamen und zuletzt bei der im Lockdown extrem gestiegenen Nachfrage nach digitalen Lösungen in akute Burnout-Gefahr gerieten. Nach diesem Peak herrscht nun Ernüchterung. Projekte sind eingemottet, weil es an Menschen fehlt, die die Technik regelmäßig betreuen sowie an Technik, Rechen- und Speicherkapazität.

Dem will die Technologiestiftung Berlin abhelfen. Immerhin seit 2018 bringt dort das Team kulturBdigital technologieaffine Akteure aus der Kultur zusammen. Als sinnvoll hat sich das 2022 initiierte Netzwerk der Resilienz-Dispatcher:innen erwiesen. „Wir sind ungefähr 70 Leute aus verschiedenen Berliner Kultureinrichtungen. Wir kennen unsere Häuser sehr genau, und wissen, wo man Prozesse vereinfachen und verschlanken kann“, erzählt Klaus Fermor der taz. Er leitete lange das Controlling beim Musiktheater Atze, das auch Gastgeber des Netzwerktreffens war. Fermor schrieb selbst ein Programm, das die Abrechnung von Lizenzen erleichtert, entwickelte ein Online-Game zu einer aktuellen Produktion und arbeitet jetzt an einem Digitalprojekt mit dem Arbeitstitel „Lebendes Programmheft“. Mit ihm sollen Kinder und Jugendliche an die Abläufe der Entwicklung einer Bühnenproduktion herangeführt werden.

Eben das sind die drei wichtigsten Felder, in denen Digitalisierung für den Kulturbereich interessant sein kann: interne Arbeitserleichterung, avancierte künstlerische Projekte und neue Formen der Publikumsaktivierung.

Für die Zukunft plant Nicolas Zimmer, Chef der Technologiestiftung, den großen Wurf. In seinem Impulsvortrag argumentierte er für gemeinsamen cloud space der Berliner Kultureinrichtungen. Er hielt auch ein Plädoyer für Open Source – für einen früheren CDU-Politiker nicht unbedingt typisch. Zimmer ermahnte Projektentwickler in der Kultur, im Sinne einer Nachnutzung gängige Programmiersprachen zu benutzen und Programmcode ausführlich zu dokumentieren.

Damit scheint er der jetzigen Frickelszene in den darstellenden Künsten noch zwei Schritte voraus. Friedrich Kirschner, als ehemaliger Professor für Spiel und Objekt an der Hochschule „Ernst Busch“ ein Vorreiter für die digitalen Künste im Theaterbereich, meinte im Gespräch mit der taz nur, er würde sich freuen, wenn die Programmcodes seiner Studierenden überhaupt noch in einigen Jahren funktionierten. Verlässliches Coden ist eine echte Herausforderung für die Szene.

Die Herausforderung für Kultursenator Joe Chialo liegt darin, in den Haushaltsverhandlungen genug digitale Ressourcen für seinen Bereich herauszuschlagen. Chialos Sprecherin verwies gegenüber der taz auf den neuen Fonds Digitaler Wandel. „Er führt die bestehenden einzelnen Maßnahmen zur digitalen Transformation in einem gebündelten Teilansatz zusammen. Während es aufgrund der angespannten Haushaltslage zu Mittelverschiebungen und Kürzungen kommt, ist insgesamt ein Aufwuchs zu verzeichnen.“ Gesammelte Cloud-Kapazitäten für Kultureinrichtungen sind darin allerdings noch nicht enthalten. „Wir haben diesen Bedarf aber selbstverständlich zur Kenntnis genommen und sind offen für Projektanträge für Vorhaben, die sich diesem Thema annehmen“, hieß es. Aus engagiertem Flickwerk wird vielleicht doch noch eine Strategie.