berliner szenen
: Ein Vogel aus Kreuzberg

Am vorletzten Sonntag im Oktober fuhr ich zum letzten Flohmarkt am Maybachufer (mit Ausnahme einer Winteredition im Dezember) in diesem Jahr, was mich schon ein wenig melancholisch stimmte, bin ich doch von Frühling bis Herbst eine passionierte Flohmarktgängerin, aber klar, im Winter hätte ich auch keine Lust, als Verkäuferin stundenlang in der Kälte auszuharren.

Da der Regen an diesem Tag aufgehört hatte, beschloss ich, mit dem Fahrrad zu fahren – und wählte dafür meinen liebsten Radweg von Schöneberg nach Kreuzberg, der über die verkehrsberuhigte Bergmannstraße führt. Während ich ohne Helm in einem gemächlichen Tempo Fahrrad fuhr, telefonierte ich über Kopfhörer mit meiner Mutter. Wir redeten über dies und das, als ich plötzlich am Südstern einen schrillen Schrei von mir gab. Meine Mutter ahnte bestimmt das Schlimmste: Ich wäre von einem Auto angefahren worden oder vom Fahrrad gestürzt – und das ohne Helm! Aber nein: Ich schrie, weil auf meinem Kopf eine riesige Krähe landete. Mit ihren Füßen krallte sie sich in meinem Haar fest. Wie wild fuchtelte ich mit meinem rechten Arm herum, während mein linker das Lenkrad hielt. Als der Schock ein wenig nachließ und die Krähe davongeflogen war, musste ich an die Taubenfrau in „Kevin allein in New York“ denken. Auf ihrem Kopf saß auch oft ein Vogel, nur trug sie eine Mütze. Wahrscheinlich war die Krähe nur scharf auf meine orange Haarklammer, kam es mir in den Sinn.

Während ich den Kottbusser Damm überquerte und auf die Zielgerade einfuhr, erzählte meine Mutter die Geschichte mit der Krähe meinem Vater. „Mit Helm wäre das nicht passiert“, war sein Kommentar dazu. Ich war froh, als ich mein Fahrrad am Flohmarkt abschloss und das Gespräch in diese Richtung nicht weiter vertiefen musste. Eva Müller-Foell