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: „Kein Kinderkram“

Animationsfilme für Erwachsene bilden einen Schwerpunkt beim 37. Braunschweiger Filmfestival. Warum, das erklärt Leiterin Karina Gauerhof

Interview Wilfried Hippen

taz: Karina Gauerhof, anders als etwa in Frankreich werden in Deutschland Animationsfilme für Erwachsene vom Publikum kaum angenommen. Rücken Sie diese Gattung deshalb in den Fokus?

Karina Gauerhof: Genau, ich persönlich bin ein großer Fan von Animationsfilmen und wenn ich auf Festivals und internationalen Filmmärkte unterwegs war, fiel mir auf, dass die Ver­tre­te­r*in­nen der Weltvertriebe immer besonders betont haben, dass diese Filme für Erwachsene gemacht wurden. Denn bei uns ist das Publikum leider immer noch sehr darauf getrimmt, dass Animationsfilme für Kinder sind. Dem wollen wir in diesem Jahr etwas entgegensetzen – und unser Publikum davon überzeugen, dass der Animationsfilm Chancen für Geschichten bietet, die mit den Mitteln des Realfilms nicht so gut darzustellen sind, weil es beim animierten Film große Freiheiten in der Gestaltung gibt.

Werden solche Filme denn nicht auch auf anderen Festivals gezeigt?

Doch, es gibt zum Beispiel das Trickfilmfestival in Stuttgart. Aber wir dachten, wir sind als Publikumsfestival im Zugzwang, dem Publikum einmal andere Sehgewohnheiten anzubieten.

Sie konzentrieren sich dabei auf europäische Produktionen. Ist jetzt gerade eine gute Zeit für solche Filme?

Foto: Friederike Fänger

Karina Gauerhof

*1991, Medienwissenschaftlerin und Anglistin, war unter anderem Assistentin der Direktion und Programm­koordinatorin. Seit August 2020 eine der Festival­leiterinnen.

Ja, fast alle Filme sind aus diesem und dem vergangenen Jahr. Die meisten kommen aus Frankreich und Spanien, die im Bereich Animationsfilme sehr aktiv sind.

Welche Themen werden verhandelt?

Wir haben drei Themenblöcke: Es gibt Genre­filme wie etwa den Science-Fiction-Film „Mars Express“ aus Frankreich, der in Cannes lief und so spannend ist, dass man nach 15 Minuten vergisst, dass man einen Animationsfilm sieht. Dann gibt es Filme über Menschen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind. So etwa den spanischen „Tender Metalheads“, die Coming-of-age-Geschichte zweier Jungen, die ihre Liebe zu Heavy Metal entdecken. Doch die meisten Filme kreisen um die Themen Trauma, Flucht und Krieg. Da mussten wir uns tatsächlich gegen einige gute Filme entscheiden, weil es sonst zu einseitig geworden wäre.

Warum eignet sich gerade der animierte Film so gut dafür, von solch schwierigen Themen zu erzählen?

37. Braunschweig International Film Festival: 6-12. 11.,www.filmfest-braunschweig.de;

Eröffnungskonzert: heute, Mo, 6. 11., 19 Uhr, Volkswagenhalle

Im Krieg gibt es zum Beispiel viele Dinge, die so grausam sind, dass man sie gar nicht mit realen Bildern darstellen möchte. Und da bietet die Animation die Möglichkeit, etwas eher metaphorisch zu vermitteln.

Am heutigen Montagabend beginnt das Festival mit einem Filmkonzert: Das Staatsorchester Braunschweig führt die Musik zu dem Animationsfilm „Die rote Schildkröte“ von 2016 auf. Filmmusik spielt auf dem Braunschweiger Internationalen Filmfestival traditionell eine wichtige Rolle. Haben Sie mit diesem Auftakt also zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen?

Da haben sie mich durchschaut. In dem Film gibt es ja keine gesprochenen Dialoge, und so bekommt die Filmmusik hier eine ganz besondere Bedeutung. Deshalb waren wir erstaunt darüber, dass „Die Rote Schildkröte“ bis jetzt noch nie im Rahmen eines Livekonzerts aufgeführt wurde. Und es ist auch ein Film, der zur richtigen Zeit kommt: Während wir momentan in den Nachrichten so schlimme Dinge sehen, wird hier davon erzählt, wie der Mensch auch im Einklang mit der Natur leben kann.