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: „Ein Potpourri aus Zugriffen aufs Thema Gebären“

Geburtsnachbereitung in Hannover: Eine Performance untersucht reproduktive Schieflagen

Interview Lena Pinto

taz: Maike Tödter, erleben wir in Hannover nun die zweite Auflage Ihrer schon aufgeführten Arbeit „Schon wieder: Gebären“?

Maike Tödter: Nein, Die Installation ist eine Arbeit im Prozess. Die Produktion ist während Corona konzipiert worden. Der erste Arbeitsstand wurde im vergangenen Herbst gezeigt. Das war noch eine Rohfassung ohne Sound. Es ist außerdem eine wachsende Installation.

Das heißt..?

Das heißt, die Besucher*innen, die die Installationen schon gesehen haben, hinterlassen uns Notizen, Karten und mündliches Feedback. Das nimmt dann weiter Einfluss auf die Performance.

Wie genau?

Die Karten, die hinterlassen wurden, werden im Häuschen, in dem die Installation zu sehen ist, aufgehängt. Wir bauen also die Perspektiven der Besuchenden immer wieder mit ein. Ganz en détail kann ich nicht sagen, welche Karte im Raum wo hängen und welche Perspektiven man lesen wird, weil es mittlerweile so viele sind, dass wir sie nicht alle unterbringen können. In Zukunft wollen wir ebenso eine Audiodeskription erstellen lassen von Expert*innen, um das Projekt, wenn wir weitere Spieltermine haben, auch für Menschen mit Sehbehinderung zugänglich zu machen. Das schaffen wir jetzt leider noch nicht.

Foto: Vaegabound_fotoarts

Maike Tödter

1985, studierte Szenische Künste in Hildesheim, freie Projektleiterin und Dramaturgin u.a beim Performance-Kollektiv „Fr. Wunder“.

Die Installation ist immer nur für jeweils zwei Personen zugänglich. Warum so exklusiv?

Einmal ist das pandemiebedingt. Ganz am Anfang hatten wir sogar gedacht, es wäre nur für eine Person. Dann haben wir festgestellt: Wir können vom Platz her auch zwei Personen in unser Häuschen reinsetzen. Andererseits ist das eine sehr intime Situation, die ungefährlich ist. Man muss nicht interagieren, beide sind unter Kopfhörern und man kann auch entscheiden, wenig miteinander zu tun zu haben. Aber man ist eben in diesem Häuschen, in einem eigenen Raum, den wir mitbringen, der so eine Art Hybrid darstellt aus Geburtshaus, Diskursraum, Ausstellung und Wohnzimmer.

Und was passiert dann darin?

Die Menschen begegnen in diesem Häuschen den Mitgliedern der „Frl. Wunder AG“, die sich aus Bilderrahmen per Video an sie richten. Die Mitglieder haben alle aus ihren Biografien heraus unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Gebären. Es gibt verschiedenste Erfahrungen im Raum. Einige haben Interviews geführt, einige zusätzlich Literatur-Recherchen gemacht. So kommt sozusagen ein Potpourri aus Zugriffen aufs Thema Gebären zusammen. Man durchläuft so gemeinsam diesen Nachbereitungskurs.

Was ist eigentlich ein Nachbereitungskurs?

Installation „Schon wieder: Gebären“: 2.–5. 11., Hannover, Freizeitheim Vahrenwald, Vahrenwalderstraße 92

„Nachbereitungskurs für alle, die schon da sind“, …

… so ist die Installation überschrieben …

… spielt natürlich an auf den typischen Geburtsvorbereitungskurs. Wir haben uns mit dem Thema Gebären als einem sozialen Phänomen befasst und waren der Ansicht: Die Gesellschaft braucht eine neue Perspektive darauf und auf alles, was da dranhängt. Wir sind alle irgendwann geboren. Das haben wir tatsächlich alle gemeinsam, und gleichzeitig lagern wir Sorgearbeit und Verantwortung für die Geborenen immer noch weitgehend auf diejenigen aus, die gebären. Deswegen haben wir beschlossen, einen Nachbereitungskurs anzubieten. Der setzt sich damit auseinander, was es bedeuten würde, wenn wir als Gesellschaft mehr Verantwortung für diese Reproduktionsfrage und die Reproduktionsarbeit übernehmen würden.