Freispruch für feministische Aktivistin

In Andorra sind Abtreibungen verboten. Eine Frauenrechtlerin, die sich vor der UNO gegen das Verbot ausgesprochen hat, wurde verklagt – und nun freigesprochen.

Vanessa Mendoza Cortés (weißes Oberteil) protestiert im Jahr 2019 vor dem andorranischen Parlament für die Abschaffung des Abtreibungsverbots Foto: Batard Patrick/abaca/imago

Aus Madrid Reiner Wandler

Die Frauenrechtlerin Vanessa Mendoza Cortés wurde am Mittwoch vom Strafgericht in Andorra freigesprochen. Die Richter weisen damit die Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft und Regierung zurück, nach der sich die Vorsitzende der Organisation „Stop Violències“ (Stoppt Gewalt) „einem Verbrechen gegen das Ansehen der Institutionen“ schuldig gemacht haben soll. Die Sozialpsychologin hatte im Namen von Stop Violències im Oktober 2019 auf einer Konferenz der UNO zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) teilgenommen, die regelmäßige überprüft, inwieweit einzelne Länder eine Antidiskriminierungspolitik umsetzen. Mendoza legte einen Bericht vor, in dem ein besserer Schutz von Frauen und Mädchen gefordert wird.

Hauptaugenmerk hatte Mendoza auf das absolute Abtreibungsverbot in Andorra gerichtet. Im kleinen Fürstentum zwischen Spanien und Frankreich ist ein Schwangerschaftsabbruch selbst bei schwerer Missbildung des Fötus oder bei Schwangerschaft nach Vergewaltigung untersagt. Das gilt selbst für minderjährige Vergewaltigungsopfer. Andorranerinnen reisen, um eine ungewollte Schwangerschaft zu beenden, meist nach Frankreich oder Spanien. Stop Violències, die einzige Organisation in Andorra, die sich des Themas der unterschiedlichen Formen sexueller Gewalt gegen Frauen annimmt, setzt sich seit 2016 für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch ein.

„In Andorra sagt man einer vergewaltigten Frau, dass sie nicht abtreiben kann“

Vanessa Mendoza Cortés, Feministin

„In Andorra sagt man einem Mädchen, wenn es vergewaltigt wird, dass es keine Abtreibung durchführen kann“, hatte Mendoza 2019 vor der UN-Konferenz erklärt. Die Behörden würden die minderjährige Schwangere auffordern, das Kind auszutragen und zur Adoption freizugeben. Dies wurde Mendoza von der Staatsanwaltschaft als Rufschädigung gegen Beamte der Sozialbehörden ausgelegt. Die Staatsanwaltschaft forderte 12.000 Euro Strafe und sechs Monate Verbot, öffentliche Ämter auszuüben. Das Gericht folgte dem nicht und sprach Mendoza frei. „Frau Mendoza diskutierte vor besagtem internationalen Organismus Fragen von allgemeinem Interesse, ohne dabei auf bestimmte Beamte oder Würdenträger Bezug zu nehmen“, deshalb gebe es „keinerlei Anlass für eine Strafe“, heißt es in der am Mittwoch verlesenen 13-seitigen Urteilsbegründung.

Das Verfahren, das Anfang Dezember stattgefunden hatte, sorgte weit über die Grenzen des Pyrenäenstaates hinaus für Aufsehen. Menschen- und Frauenrechtsorganisationen wie Amnesty International und das Center for Reproductive Rights haben sich für Mendoza eingesetzt. Sie fordern die Abschaffung des Artikels 325 – „Verbrechen gegen das Ansehen der Institutionen“ –, auf den sich die Staatsanwaltschaft stützte. Außer Malta hat kein anderes europäisches Land ein so restriktives Abtreibungsrecht wie Andorra. Mendoza, die zur Urteilsverkündung ein T-Shirt mit der Aufschrift „Abtreibung ist normal“ trug, zeigte sich über das Urteil zufrieden.