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: „Es ist ein Tanz auf der Stelle“

Wie die Frauenquote auf die Theaterlandschaft wirkt

Interview Petra Schellen

taz: Frau Ullmann, hat die seit 2020 beim Berliner Theatertreffen geltende Frauenquote das Theater revolutioniert?

Katrin Ullmann: Revolutioniert ist zu hoch gegriffen, aber ich würde schon sagen, dass die von der damaligen Leiterin Yvonne Büdenhölzer gemeinsam mit der Jury erlassene Vorgabe, zu 50 Prozent Regisseurinnen einzuladen, etwas bewirkt. Sie hilft, Strukturen aufzubrechen, zu irritieren und Aufmerksamkeit für weibliche Regiehandschriften zu wecken, die lange und gut versteckt wurden. Ich glaube, dass das die Wahrnehmung von Intendanten, Schauspieldirektoren und Spielplangestaltern durchaus verändert. Am Schauspiel Frankfurt hat Intendant Anselm Weber auf der großen Bühne jetzt einen komplett weiblich besetzten Spielplan gemacht – wenn auch, für meinen Geschmack, mit zu viel PR.

Wie beurteilen die für Ihr Buch befragten Regisseurinnen – alle zum Theatertreffen eingeladen – die Quote?

Die 19 Frauen, die Sabine Leucht, Petra Paterno und ich befragt haben, urteilen sehr unterschiedlich. Einige empfinden sie als Karriere-Steigbügel, den wir im Moment brauchen, aber hoffentlich bald wieder abschaffen können. Andere monieren: „Ich habe mir das Ganze hart erkämpft, und jetzt kommen andere als Quotenfrau zum Theatertreffen.“

Urteilen Ost-Frauen anders als ihre West-Kolleginnen?

Im Einzelfall durchaus. Die in Slowenien sozialisierte Mateja Koleznik etwa sagt: „Uns Mädchen wurde von klein auf gesagt, dass wir gleich wären. Erst nach dem Ende des Sozialismus kam der ganze katholische Mist zurück.“ Die im Westen sozialisierte Regisseurin Karin Henkel dagegen sagt: „Dass ich als Frau mehr powern muss und der Weg holpriger ist, war für mich selbstverständlich.“

Foto: Anna Constanty

Katrin Ullmann

Jahrgang 1971, Theaterkritikerin, Jurorin des Berliner Theatertreffens, hat mit Sabine Leucht und Petra Paterno 2023 den Band „Status Quote. Theater im Umbruch: Regisseurin­nen im Gespräch“ herausgegeben.

Was für die jüngeren, mit der Idee totaler Gleichberechtigung erzogenen Regisseurinnen ein Schock sein muss.

Ja. Gerade, wenn sie feststellen, dass an diesem so gesellschaftskritischen Arbeitsplatz Theater, der alles hinterfragt und den Finger in die Wunde legt, männlich dominierte Hierarchien vorherrschen. Das ändert sich jetzt langsam, sodass auch mal Kollektive an die Spitze kommen. Auch empfinden viele, dass Frauen tendenziell eher Frauen fördern und eher Verständnis für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufbringen. Das ist bei den teils absurden Proben- und Beleuchtungszeiten ein echtes Problem.

Lindert die Quote auch strukturelle Benachteiligung von Frauen im Theaterbetrieb?

Langsam bewegt sich etwas. Bei der Besetzung von Stellen versucht man darauf zu achten, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen. Außerdem ist die Quote ein Anreiz für die Theater, mehr Regisseurinnen auf die großen Bühnen zu lassen, um eine höhere Chance für eine Einladung zum Theatertreffen zu haben. Trotzdem weist die Werkstatistik des Deutschen Bühnenvereins derzeit – auf allen Sprechtheaterbühnen – nur zirka 35 Prozent Inszenierungen von Frauen aus. Und wenn ich sehe, dass jetzt in Wien wieder die großen Intendanzen mit Männern besetzt wurden, denke ich, es ist ein Tanz auf der Stelle.

In einer sehr hoch entwickelten Gesellschaft hätte ein Mann die Frauenquote eingeführt.

Diskussion „Status Quote – Theater im Umbruch“: 13. 3., 19.30 Uhr, Kampnagel, Hamburg. Anmeldung erforderlich: www.kampnagel.de

Ja! Und er hätte es nicht laut verkündet, sondern es einfach gemacht. Das wäre noch eleganter.

Wie geht es beim Theatertreffen weiter mit der Quote?

Bis 2025 gilt sie, aber was die seit Januar 2024 amtierende Leiterin Nora Hertlein-Hull danach beschließt, ist offen. Grundsätzlich ist eine Quote immer ambivalent, weil sie in die Freiheit der Kunst eingreift. Die aber ohne Quote auf andere, subtilere Art gefährdet ist.