„Ich will Spaß haben, schöne Abende konzipieren und kein Businessmodell entwickeln“

Ran Huber feiert 25 Jahre amSTARt. So lange veranstaltet er schon Indie-Konzerte in Berlin. Ein Gespräch über Nischen in Berlin, die Vergangenheit und die Spannungen wegen des Nahostkonflikts in der Musikszene

Foto: Roland Owsnitzki

Interview Andreas Hartmann

taz: Herr Huber, Sie feiern das 25-jährige Jubiläum Ihrer Agentur amSTARt, mit der Sie in Berlin Konzerte vornehmlich von Indie-Acts organisieren. Was verschafft Ihnen nach all den Jahren immer noch eine Befriedigung im Job?

Ran Huber: Am schönsten ist es, wenn man den Abend erfolgreich durchführt und sieht, dass Künstler und Künstlerinnen sowie die Gäste zufrieden sind und ein positives Feedback geben. Schön ist auch, wenn die Leute nach dem Konzert noch bleiben und sich austauschen können. Das gab es früher öfter als heute.

Was hat sich geändert?

Es gibt inzwischen viel öfter klare Ansagen, wann die Livemusik zu Ende zu sein hat. Was in vielen Fällen an Nachbarn und Lärmschutzregelungen liegt. Bestes Beispiel ist der Schokoladen in Mitte. Dort gilt schon seit vielen Jahren die Regel, dass um 22 Uhr das Konzert beendet sein muss. In anderen Läden ist das auch so, teilweise aber auch wegen der Logistik und der Personalplanung. Im Lido oder der Berghain Kantine zum Beispiel wird auch ein Zeitplan vorgegeben. Ich war in entspannteren Zeiten dafür bekannt – hatte also gewissermaßen den schlechten Ruf –, dass es bei mir immer lange gedauert hat, bis das Konzert losging.

Früher war alles besser in Berlin?

Die Ära, in der alles noch ein wenig lockerer war, es mehr Freiräume in der Stadt gab und es nicht so reguliert war, die war schon schöner. Gerade in den letzten ein bis zwei Jahren hat sich alles weiter normalisiert, sodass man manchmal in Berlin denkt, man befinde sich in einer mitteldeutschen Kleinstadt.

Ihr Konzept war es schon immer, nicht nur neue, interessante Acts zu präsentieren, sondern diese auch in Locations auftreten zu lassen, die noch unbekannt sind oder erst von Ihnen entdeckt werden. Lassen sich wirklich abgefahrene Orte für Konzerte heute überhaupt noch finden?

Wenn man genau schaut und sucht, kann man vielleicht noch neue Räume erschließen. Aber es sieht gerade nur so mittelgut aus. Jetzt drohen auch noch Orte wie das Urban Spree durch die Neubebauung auf dem RAW-Gelände wegzubrechen. Das wird ein richtiger Rückschlag für die Szene, wenn es den Laden nicht mehr gibt. Die Läden hatten damals zum Teil auch mehr Charakter als heute. Etwa das damalige Zentral in der Rochstraße in Mitte. Das war totaler Punkrock, alles roh, und es gab nicht viel mehr als eine Bar und eine Anlage. Der Raum hat die ganze Atmosphäre eines Konzerts mitgeprägt. Aber zum Glück gibt es immer noch ein paar Orte, die echter Underground sind. Etwa die Villa Kuriosum oder Die Loge.

Die Bedingungen für das, was Sie machen, sind in den 25 Jahren also nicht einfacher geworden. Wie geht es amSTARt heute?

In den letzten 25 Jahren habe ich auf die Frage, wie es bei mir läuft, immer dasselbe geantwortet: Es herrscht Stagnation. Bei mir ging es eigentlich nie bergab, aber auch nie bergauf. Daraus lässt sich schließen, dass meine Shows eine Nische bedienen, die auf einem bestimmten Niveau stabil bleibt. Dazu kommt: Am Anfang war ich der Einzige, der so etwas gemacht hat wie ich. Mittlerweile gibt es viele kleine Konzertveranstalter, die das teilweise nur als Hobby betreiben. Somit gibt es heute auch mehr Konkurrenz als damals.

Wie viele Besucher und Besucherinnen kommen durchschnittlich zu einer amSTARt-Show?

Das reicht von 50 bis hin zu 200 Leuten.

Ohne Kulturförderung wäre das wirtschaftlich nicht tragfähig, richtig?

Ohne die würde es mich längst nicht mehr geben. Bis auf die ersten zwei Jahre habe ich immer Förderungen bekommen. Ich wurde also meist vom Senat und später vom Musicboard gefördert. Zumindest acht bis zehn Shows im Jahr, was nicht viel ist. Es gab Zeiten, in denen ich mehr als 50 Shows im Jahr organisiert habe, inzwischen bin ich bei nur noch 30 bis 40. Was ich mir leisten kann, weil ich mehr Honorarjobs nebenbei mache. Durch die bis zu zehn geförderten Shows im Jahr habe ich ein finanzielles Polster, das mir erst ermöglicht, auch Konzerte zu organisieren, bei denen ich vielleicht gar nichts verdiene. Die ich aber mache, weil es mir einfach Spaß macht.

Einfach Spaß?

Just for fun, aus Liebe oder Idealismus, wie auch immer man das nennen mag. Das Marktwirtschaftliche, das Gewinnorientierte steht bei mir halt nicht auf Punkt eins beim Business. Ich konnte trotzdem immer davon leben und es ging einfach immer weiter.

Die Orte und Daten: Die Festivitäten finden am 14. März im Schokoladen, am 15. März in der B.L.O. Kantine und am 16. März in der Galiläa Kirche/Jugendwiderstandsmuseum statt.

Die Bands: Sound 8 Orchestra, Brezel Göring solo, DJ Vicious V (Schokoladen).

Angela Aux & Band, Walls and Birds, Circaeaa, djs Masha Qrella + Some Kind Of Happening (B.L.O. Kantine)

El Khat (Eyal El Wahab solo), Lake Felix, Dj TEll A ViSiON (Galiläa Kirche).

Längst bekannte Acts wie Sophie Hunger oder Dagobert bekamen dank Ihrer Arbeit erste Auftritte in Berlin, sind aber inzwischen längst bei größeren Agenturen gelandet. Wäre es nicht schön, solche Künstler und Künstlerinnen als Konzertveranstalter zu behalten?

Ach, ich forciere das gar nicht. Ich würde damit ja auch mein eigenes Konzept zerstören. Weil ich weniger Möglichkeiten hätte, neue, coole Acts zu veranstalten, ich würde dann an einem Pool von bestimmten Leuten hängen. Wirtschaftlich wäre das sicherlich schlauer, aber die Leute würden irgendwann vielleicht auch sagen: Ach ja, das ist der Ran, der immer die Konzerte von Sophie Hunger und Dagobert organisiert.

Sie wollen das Trüffelschwein bleiben.

Ja, auch. Aber vor allem will ich, wie gesagt, Spaß haben, schöne Abende konzipieren und kein Businessmodell entwickeln.

Das auch noch die nächsten 25 Jahre?

Eine Frage, die ich mir immer mal wieder stelle, ist, ob man als Veranstalter in einer netten Kleinstadt nicht vielleicht besser aufgehoben wäre als in Berlin. In einer Stadt, die nur eine Venue hat, die aber richtig cool ist. Wo man dann nur ein gutes Programm buchen muss und es kommen eh alle, weil es keine Konkurrenz gibt. Das wäre schon ein entspannteres Arbeiten, an einem einzigen Ort, der aber richtig schön ist und Atmosphäre hat.

Ran Huber

stammt aus der ober­bayerischen Popstadt Weilheim und spielte in der Urbesetzung von The Notwist. Wichtigste musikalische Einflüsse: Velvet Underground, Talk Talk, Elektro Music Department. Wenn er gerade keine Konzerte veranstaltet, legt er als DJ Anna auf.

Undenkbar eigentlich, amSTARt wäre dann nicht mehr in Berlin. Was macht Ihnen in der Stadt sonst noch zu schaffen?

Der Nahostkonflikt, der in die Szene sickert, das macht mich richtig fertig. Leute sagen, sie kommen nicht zu dem Event, weil das in diesem oder jenem Club stattfindet oder von einer Zeitung präsentiert wird, deren Position zum Krieg in Gaza sie nicht teilen. Boykottaufrufe finde ich auch ganz schlimm. Und dann schaut man sich auch noch an, was da teilweise auf Instagram gepostet wird und da wird einem schlecht. Ich möchte, dass der Krieg sofort aufhört und die Menschen in Gaza in Frieden leben können. Und ich halte Teile der derzeitigen israelischen Regierung auch für rechtsradikal bis faschistisch. Aber wenn in Deutschland Juden und Jüdinnen angegangen werden, dann geht das gar nicht. Es kann nicht sein, dass jüdische Menschen hierzulande auf den Straßen Angst haben müssen.

Zum Schluss noch die wichtigste Frage: Das beste von Ihnen veranstaltete Konzert in den letzten 25 Jahren?

Schwer zu sagen. Gegenüber vom bereits erwähnten Club Zentral hat in einem Laden im Keller einmal Calvin Johnson, Sänger der Indieband Beat Happening, solo mit Gitarre gespielt. Der ist einfach nur mit seinem Instrument singend durch den Raum gegangen, es gab auch gar keine Bühne dort. Und um ihn herum standen 30 Leute, die einfach nur begeistert waren.