Angstfreies Vorbild

Mainz 05 ist in einem unansehnlichen Abstiegskick das bessere Team und trifft sogar wieder vom Elfmeterpunkt.
Beim VfL Bochum zeigt der Trend dagegen in die andere Richtung. Der Vorsprung schwindet rasant

Abstiegskampf muss nicht schön aussehen: Bochums Verteidiger Bernado haut den Ball weg Foto: Torsten Silz/dpa

Aus Mainz Frank Hellmann

So unaufhörlich sich Bo Henriksen am Spielfeldrand durchs lange Haar streicht, so unablässig redet dieser Fußballlehrer auf Pressekonferenzen von Dingen, die ihm „fantastic“ vorkommen. Nur einmal hat der vorzugsweise in Englisch kommunizierende Trainer des FSV Mainz 05 nach dem Heimspiel gegen den VfL Bochum (2:0) seinen fortwährenden Lobeshymnen indirekt widersprochen: „Die Qualität des Spiels war nicht gut, aber das ist uns egal.“

Tatsächlich hatte es über weite Strecken nicht so fantastisch ausgesehen, aber die Mainzer Herangehensweise könnte ein Vorbild für jene „Worker-Mentalität“ sein, mit der die deutsche Nationalelf demnächst zu Werke gehen will. Der Lohn eines „zu 100 Prozent verdienten Erfolgs“ (Henriksen) ist vor der Länderspielpause der Sprung auf den Relegationsrang.

Die Befürchtung, dass die 1:8-Klatsche in München den Nullfünfern mehr als das Torverhältnis vermasselte, ist zerstreut. Gleichwohl hatte Sportdirektor Martin Schmidt beobachtet, dass „wir 40 Minuten ein Riesenstein herumgetragen haben: Mut und Selbstbewusstsein haben gefehlt.“

Heraus kam ein unansehnlicher Abstiegskick mit einer gefühlten Passquote von 50 Prozent. Mitunter stöhnten viele der 33.000 Zuschauer, wenn das ständig in der Luft herumgebolzte Spielgerät im Sekundentakt den Besitzer wechselte. Einzig ein minderjähriger Flitzer sorgte für ein wenig Unterhaltung. So umstritten es war, dass Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck nach einem leichten Fußtreffer von Bochums Verteidiger Bernardo („mein erster Kontakt ist am Ball“) gegen den Mainzer Jae-Sung Lee auf den Elfmeterpunkt zeigte: Der von Jonathan Burkardt souverän verwandelte Strafstoß (45.+3) sorgte wenigstens bei den Rheinhessen für eine gewisse Befreiung. Und weil der ehemalige U21-Nationalmannschaftskapitän noch einmal traf (71.), sah das Resultat letztlich besser aus als das Spiel.

Den Verantwortlichen imponierte, wie der wegen eines Knöchenmarködems im linken Knie zwischenzeitlich für mehr als ein Jahr fehlende Jungprofi die vermaledeite Serie von vier verschossenen Elfmetern in Serie durchbrach. „Herausragend“ fand es Schmidt, „dass der junge Kerl in dieser Situation, nach seiner langen Verletzung, die Verantwortung übernimmt.“ Und Henriksen hielt nicht minder begeistert fest: „Jonny hat vor nichts Angst. Das ist es, was wir in unserer Situation brauchen.“

Erst im Abschlusstraining hatte der Däne Elfmeter üben lassen, dann die Nummern 18 (Nadiem Amiri) und 29 (Burkardt) als Schützen auf die Tafel geschrieben. Burkardt bat Amiri vor der Ausführung erst artig um Erlaubnis. „Er hat mir gesagt: 'Schieß den Ball rein!“ Klar, dass der Doppeltorschütze für die in Mainz übliche Humba-täterä-Zeremonie auf den Zaun kletterte. „Ich hoffe, die Leute haben gesehen, was auch uns dieser Sieg bedeutet“, erklärte der 23-Jährige. „Ich habe das erste Mal in dieser Saison mit der Mannschaft gewonnen, da ist einiges von mir abgefallen.“ Seine Saisontore drei und vier könnten aber nur ein Anfang der Aufholjagd sein: „Es ist noch nichts vorbei und noch nichts entschieden.“

„Hauptziel ist es, Köln zu überholen – und dann die Gegner davor zu verunsichern“

Martin Schmidt, Mainzer Sportchef

Der gefeierte Matchwinner bestätigte, dass es dem impulsiven Einpeitscher Henriksen gelingt, zumindest einen Teil seiner positiven Energie aufs Team zu übertragen. Der 49-Jährige hat in fünf Spielen nun bereits öfter gewonnen (zweimal) als seine Vorgänger Bo Svensson und Jan Siewert zusammen. Die Zuversicht ist zurück. „Hauptziel ist es, Köln zu überholen – und dann die Gegner davor zu verunsichern“, gab Sportschef Schmidt die Losung aus.

Bei den nun nur noch sechs Punkte entfernten Bochumern scheint das bereits zu wirken. „Das gerade ein paar Prozent fehlen, sehen wir“, sagte Sportdirektor Marc Lettau. „Die Länderspielpause tut uns jetzt ganz gut. Dann starten wir am Ostersonntag gegen Darmstadt in die heiße Phase der Saison.“ Gerade gelinge es der Mannschaft nicht, „an die 100 Prozent zu kommen“. Auch Trainer Thomas Letsch arbeitete sich nicht am Referee ab, sondern bemängelte, dass „uns der letzte Punch fehlt – und damit auch das Glück, das wir uns nicht erzwingen.“ Seine Warnung: „Mit 25 Punkten blieb noch keiner in der Liga.“