Nachrichtenblockade in Gaza

Um Desinformation und Propaganda etwas entgegenzusetzen, ist unabhängige Bericht­er­stattung bitter nötig. Auch im Gazakrieg, einem der tödlichsten für Jour­na­lis­t:innen

Reporter ohne Grenzen (RSF) zählt den Tod eines Journalisten oder einer Journalistin als verifiziert, wenn er oder sie im Zusammenhang mit der Arbeit als Jour­na­lis­t:in getötet wurde (roter Streifen in der Grafik). Zugleich erhebt RSF aber auch die Zahl der insgesamt getöteten Jour­na­lis­t:in­nen (blauer Kreis) und versucht, die Todesumstände möglichst zweifelsfrei zu belegen. Diese Dokumentation dient auch dazu, Material für spätere Gerichtsprozesse zu sammeln.

Wie ein Horrorfilm werden die Nachrichten über den Alltag der Menschen im Gazastreifen, über den Verlauf der militärischen Kampfhandlungen und die nie dagewesene humanitäre Katastrophe präsentiert.

Diese News werden oft in der Ferne produziert, in Tel Aviv oder in Kairo, oder von „eingebetteten“ Jour­na­lis­t:in­nen, die die Armee oder medizinische Hilfsdienste begleiten und die einen nur eingeschränkten, zum Teil propagandistischen ­Einblick in das Geschehen erhalten. Neben diesen Berichten bekommt die Welt aus Gaza zum Glück noch Informationen von humanitären Organisationen, die vor Ort tätig sind und eine Realität widerspiegeln, die den offiziellen Kommuniqués oft widerspricht.

Der Krieg, der seit dem 7. Oktober im Gazastreifen tobt, ist einer, der bis jetzt tödlichsten für Jour­na­lis­t:in­nen. Zum Teil werden sie gezielt getötet, während sie aus Gaza, dem Libanon und Israel berichten. Doch ohne diese Stimmen können die Gräueltaten der Kriegsparteien und die Menschenrechtsverstöße gegen Zi­vi­lis­t:in­nen nicht unabhängig dokumentiert werden.

Gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen (Reporters sans frontières, RSF) hat die taz Panter Stiftung nach Stimmen von Jour­na­lis­t:in­nen aus der Region gesucht, die ihren Alltag beschreiben. Einige sind im Gazastreifen geblieben, andere sind geflohen.

Eins der Protokolle erzählt die Geschichte einer Journalistin, die bereits in der Vergangenheit wegen ihrer Arbeit bedroht war und die mit dem Stipendium „Refugium“ von der taz Panter Stiftung und von RSF eine Auszeit in Berlin genommen hatte.

Auch im Krieg müssen kritischer Journalismus und freie Bericht­erstattung gewährleistet sein. Denn Informationsrecht ist ein Menschenrecht, das nicht dem Narrativ der Konfliktparteien überlassen werden darf.

Der Gazastreifen wird von Israel und Ägypten perfekt überwacht, um die Kontrolle über das Narrativ zu behalten – kein Bild, keine Nachricht, kein Interview darf unpassend sein. Täglich wird die Welt mit Verlautbarungen von militärischen und politischen Sprechern bombardiert; mit Videos der Hamas, die der psychologischen Kriegsführung dienen.

Im Gazastreifen wird die Zahl der Todesopfer etwa vom Gesundheitsministerium mitgeteilt, einer Behörde der von der Hamas kontrollierten Regierung.

Ob diese Zahlen mit der Realität übereinstimmen oder ob sie in der Tat sofort als „Lüge“ einzuordnen sind, bleibt dann ein großes Fragezeichen, solange kein unabhängiger Journalismus vor Ort möglich ist, um die Information gegenzuprüfen. Gemma Terés Arilla,

Leiterin der taz Panter Stiftung