wortwechsel
: Kriege bringen Sicherheit? Die neue, alte Machtpolitik

Die politische Marschrichtung weltweit scheint klar: Die Ausweitung der Kriege ist leider, leider unausweichlich. Ein „Naivling“, wer anderes denkt! Ist doch alles Selbstverteidigung?

Ostermarsch 2024 in Berlin, Innenstadt Ost. 3.500 Menschen forderten Friedensverhandlungen und einen Waffenstillstand. Das übergeordnete Motto lautete: „Kriegstüchtig – nie wieder“   Foto: Fritz Engel/Zenit

„Friedensmärsche und Krieg: Friedensbewegung in der Bredouille. Solange der Aggressor Nato oder USA hieß, war der Bewegung stets klar, wer gut und wer böse ist. Nun tritt ein lange verdrängter Grundkonflikt wieder offen zutage“, wochentaz vom 30. 3. 24

„Gut“ gegen „Böse“?

Wir waren bei der Friedensdemo am 1. April in Nürnberg mit dabei. Wir, und das dürfte mittlerweile auch die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland sein, wir wollen endlich wieder Frieden. Die Kriegstreiber aus und in Deutschland wollen weiterhin mit Waffenlieferungen den Krieg in der Ukraine befeuern. Nicht nur in Nürnberg wurde am 1. April auch glasklar, dass man endlich wieder mit allen Seiten reden muss.

Riggi Schwarz, Büchenbach

Friedenswünsche von den Marschieren, vom Papst, von Scholz, von Habeck … Aber wer bereitet uns darauf vor, was passiert, wenn die Ukraine verliert? „Entnazifizierung“ auf putinsche Art? „Abrechnungen“, Verurteilungen, Verschleppungen wie in Luhansk, Donezk? Demokratisierung durch die mordenden Häftlingssoldaten? Wiederaufbau zerstörter Großstädte, Dörfer und Infrastrukturen der Ukraine sowie Minenräumung durch Russland, „russisches Land“? Mit westlicher Hilfe? Was stattfinden würde: Exodus, millionenfache Fluchten, Migration nach Polen und Deutschland. Das scheint kein besonders wichtiges Thema der Politik und der Medien zu sein. Martin Krauß, Fernwald

Eure Berichte über die Ostermarschierer hat mein Fass überlaufen lassen: Ich bin entsetzt und ganz schön traurig darüber, welche kriegstreiberische „Bande“ die taz „übernommen“ hat! Wozu sollen denn eurer Meinung nach immer mehr Waffen führen? Ich lese die taz seit ihrer Gründung, habe so eine Entwicklung bisher nicht für möglich gehalten und hoffe, dass diese „Bande“ schnell zur Einsicht kommt. Herbert Hinsch, Hamburg

Dem Frieden durch Verhandlungen näher zu kommen ist erst einmal eine wohlmeinende Idee, die durch die normative Kraft des Faktischen konterkariert wird. Wer meint, mit Putin könne man über Frieden reden, kann hier bei uns ausprobieren, einen überzeugten rechtsextremen Antisemiten zumindest zur Akzeptanz jüdischen Lebens zu bringen. Ich nehme an, das wird nicht gelingen.

Klaus Zerkowski, Rothenburg o. T.

„Ich wäre gern Pazifist“

Der organisierte Pazifismus hat seine gemeinsame Linie verloren. Ich wäre so gern ein Pazifist – wenn der Pazifismus nur Lösungen für die Probleme unserer Zeit anbieten könnte, aber der traditionelle Pazifismus blendet einfach Realitäten aus, blendet das Nachdenken darüber aus, was mit der Ukraine und Europa geschehen wird, wenn es zu einem Einfrieren oder gar Frieden mit Zustimmung Putins kommen würde.

Dieser Pazifismus blendet auch aus, was am 7. Oktober 23 geschehen ist, und nimmt nur noch wahr, was das Leiden der Palästinenser im Gazastreifen ist. Ausgeblendet werden die Morde und Vergewaltigungen an israelischen Zivilisten und den Geiseln der Hamas. Ein Pazifismus, der Partei für eine Seite ergreift, ist nicht mehr glaubwürdig. Von den Ukrai­ne­r:in­nen Aufgabe zu verlangen und nur Kritik an Israel zu üben ist solche Parteinahme. Sie schwächt oder gar tötet die Friedensbewegung. Ich danke Pascal Beucker für seinen Leitartikel, der so Partei ergreift nicht für eine Seite, sondern für den Frieden. Horst Seeger

Dieser Leitartikel, der all jenen die pazifistische Gesinnung abspricht, die auch die Genese kriegerischer Konflikte in ihren Bewertungen berücksichtigen, ist bezeichnend für den medialen Mainstream. Jeder, der die Entstehung des derzeitigen Krieges in der Ukraine bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion zurückverfolgt, wird erkennen, dass bereits 1991 mit der Ära Jelzin von westlicher Seite der massive Versuch unternommen wurde, politische Strukturen zu schaffen, die den Zugang westlicher, vor allem US-dominierter Unternehmen zu den riesigen Rohstoffressourcen Russlands garantieren würden. Als dies nicht gelang und aus US-Sicht die Gefahr drohte, dass sich Westeuropa in Kooperation mit Russland ökonomisch aus der Dollar-Dominanz emanzipieren könnte, wurde die Ausdehnung der Nato direkt an Russlands Grenzen befördert.

Es wäre im Sinne einer friedensfördernden Berichterstattung gewiss hilfreich, auch diesem Aspekt in der taz Beachtung zu schenken. Rolf Alterauge, Neuwied

Selbstgerechtigkeit?

„Flucht in die Utopie. Seit Beginn des Ukrainekriegs wirkt der Pazifismus aus der Zeit gefallen. Der Aktivist Jürgen Grässlin kündigt ein Netzwerk ‚für positive Nachrichten‘“ an“, taz vom 28. 3. 24

Sehr geehrter Herr Stieber, ich habe noch nirgendwo in so einer prägnanten und gehaltvollen Art die Leere, Hüllenhaftigkeit und Selbstgerechtigkeit des deutschen „Pazifismus“ beschrieben gesehen wie bei Ihnen! Und das sage ich als überzeugter Linker. Wenn ich mich mit diesen mir völlig unbegreiflichen Haltungen auseinandersetze, hilft mir im Verständnis immer nur die Idee von Immanuel Kant, dass wir eben nicht vernünftige Wesen, sondern nur „vernunftbegabt“ sind, und mein Studium der Psychologie, wonach Menschen einfach nur das wahrnehmen und glauben, was sie eben wahrnehmen und glauben wollen. Sie schreiben es so treffend: diese Menschen stecken fest in einer Weltsicht und Erfahrungswelt aus den 1980ern, als in Russland mit Gorba­tschow eine Ausnahmeerscheinung (im Verhältnis!) Regierungschef war.

Michael Wenzler

„Jürgen Grässlin müsste eigentlich zugeben, mit seinem pazifistischen Ansatz am Ende zu sein“, schreibt Benno Stieber. Müsste er nicht umgekehrt sehen, dass die, die den Pazifismus belächeln und das Militaristische für den Normalzustand halten, nicht zugeben, mit ihrem Ansatz am Ende zu sein? Löst er denn Probleme? Führt er nicht zu massivsten Zerstörungen und Millionen von Toten und Flüchtlingen? Michaela Kunkel, Stuttgart