momentaufnahmen
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Wenn einer immer ein paar Anmerkungen hat

Genügsam gleiten die Fahrgäste mit der Bahn durch das morgendlich dämmernde Deutschland. Bis in Leipzig ein Mittfünfzigjähriger einsteigt, der frappierende Ähnlichkeiten mit Dieter Bohlen hat. Zielsicher steuert er auf den Vierertisch zu, an dem ich mit einem Mann im Bundeswehrpullover sitze. Das Bohlen-Double spricht den Oberstleutnant – wie er auf Nachfrage stolz zurückgibt – auf seine Abzeichen an. Belohnt wird dieser mit einer zweistündigen Standpauke über alles, was die Bundeswehr falsch mache. Genervt probiert der Leutnant, sich dem Gespräch zu entziehen, aber Bohlen lässt sich nicht abwimmeln.

In Nürnberg steigt der Oberstleutnant aus und überlässt seinen Sitzplatz einem Yuppie, der sofort eifrig auf seinem Laptop rumhackt. Wieder spricht Bohlen den Neuen an: „Ich habe Ihr Bewerbungsscheiben über Ihre Schulter mitgelesen und hätte da doch ein paar Anmerkungen …“

Deutsche Bahn

324.100 Mit­arbeiter*innen.

Auf über 39.000 Kilometer Streckenlänge kann man in der Bahn in Deutschland miteinander ins Gespräch kommen. Wenn die Bahn fährt. Und wenn man will.

Bevor der Klugschwätzer auch nur auf die Idee kommen könnte, mir gleich den Inhalt meines Buches zu erklären, komme ich ihm zuvor und gebe mich ostentativ meinen Noise-Cancelling-Kopfhörern hin. Lilly Schröder