Nicht mehr zu Diensten

Eine Ausstellung in der Galerie Wedding macht auf Ausbeutungsverhältnisse im Dienstleistungssektor aufmerksam. „In Nobody’s Service“ zeigt auch, wie diese mit Klischeevorstellungen von Frauen aus Thailand und den Philippinen zusammenhängen

Von Tom Mustroph

„Hello Guys“ – so grüßt eine pinkfarbene Leuchtschrift aus dem Inneren der Galerie Wedding. Die Botschaft der Ansprache ist mindestens zweideutig. Natürlich erweckt die Ausstellung „In Nobody’s Service“ Interesse bei Vorüberlaufenden und will sie hinter die großen Glasscheiben der Galerie locken. Der Spruch verweist aber auch auf das Thema der Schau. Er stammt aus dem eher simplen Arbeitsvokabular von Prostituierten vielerlei Geschlechts. Der in Berlin lebende thailändische Maler, Zeichner und Grafiker Natthapong Samakkaew machte sich bei Recherchen in einem Bordell in der Frankfurter Taunusstraße damit vertraut. Jetzt leuchtet nicht nur die von ihm gestaltete Schrift in Neonbuchstaben von der Wand. Weitere Sprüche sind Teil der Installation „Her Dreams Shall Come True“ von Sarnt Utamachote und Wisantu Phu-artdun. Sie sind mit Lippenstift auf Spiegelfolie geschrieben. Der Effekt ist bemerkenswert. Während des Gangs durch die Ausstellung erscheint das Abbild des eigenen Gesichts immer wieder auf Spiegelflächen und verbindet sich mit Fragen wie: „Soft skin?“, „That kind of women?“ und „How much?“

Auf Postkarten erzählen die Porträtierten Teile ihrer Lebensgeschichte

Die Gruppenausstellung „In Nobody’s Service“ greift die Themenfelder Sexarbeit, Pflege und Dienstleistungen jeder Art auf und verknüpft sie mit Auseinandersetzungen über jene kulturellen Klischees, mit denen Frauen und Transpersonen vor allem aus Thailand und den Philippinen hierzulande häufig konfrontiert werden. Organisiert ist die Schau vom Kollektiv un.thai.tled – laut Selbstbeschreibung eine Gruppe von Kreativen aus Thailand oder mit Thai-Wurzeln, die in Deutschland leben und arbeiten. Mitglieder der Gruppe erlebten selbst Stigmatisierungen, etwa, wenn sie bei Einreise oder Visa-Erteilung gefragt wurden, ob sie „mit Deutschen verheiratet“ und „Frauen aus dem Katalog“ seien – also potentielle Ehepartner*innen, Dienstmädchen oder Sex­ar­bei­te­r*in­nen.

Insgesamt sieben Positionen sind zu sehen. Ihre Bandbreite ist groß. Utamachote und Phu-artdan integrierten in ihre Installation Dokumente des langen Kampfes von Frauen aus Thailand und den Philippinen auf Anerkennung in Deutschland, unter anderem vom ersten Kongress von Frauen aus Deutschland und dem Ausland (1984). Zentrale Forderungen damals: Gleiche Rechte für deutsche und ausländische Frauen, Abschaffung der Ausländergesetzgebung und Einstellung von Abschiebungen. Eine Hör­station enthält Interviews vor allem mit Aktivistinnen und Wissenschaftlerinnen.

Betroffenen Frauen selbst gibt Krisanta Caguioa-Mönnich eine Stimme. Sie malt und zeichnet sie zu ihrem Schutz nur von hinten. Es handelt sich um Frauen und Mädchen, die Hilfe bei Ban Ying suchen, einer Koordinierungs- und Vermittlungsstelle gegen Menschenhandel. Auf Postkarten erzählen die Porträtierten Teile ihrer Lebensgeschichte. Von einer Flucht aus Dubai ist da die Rede, weg von einer Familie, die die Haushaltsangestellte schlecht behandelte, nur um in Deutschland in einer Ehe mit einem Mann, der sie schlug, zu geraten. Eine andere Frau berichtet von einem Job in einer Berliner Botschaft, der mit nur 300 Euro im Monat vergütet wurde. Die Frau klagte und gewann. Aktuell werden die Beschäftigten der Botschaft besser bezahlt, schreibt sie. Solche Erfolge machen selbstverständlich Mut.

Krisanta Caguioa-Mönnich „Things That Smell Like Home„ (2019) Foto: Benjamaporn Rattanaraungdetch, Courtesy of Galerie Wedding.

Ebenfalls mit Geschichten von Frauen, die bei Ban Ying Zuflucht suchen, kreiert Bussaraporn Thongchai ihre Textcollagen im Projekt „Dialogue ­Series“. Paragrafen der Asylgesetzgebung werden mit Aussagen wie „alles ist ihr fremd“, „bin ich nicht gewillt“ oder „müsse ich mich prostituieren“ verknüpft.

Bussaraporn Thongchai, „Pieces from Berlin Series„, 2018 Foto: 16albermarle

Auf eine eher bizarre Dreiecksgeschichte zwischen Südostasien, den Vereinigten Arabischen Emiraten – Ziel ganz vieler Ar­beits­mi­gran­t*in­nen – und Deutschland macht die Installation „Schloss der Republik“ von Jasmin Werner aufmerksam. Für den Bau des Burj Khalifa, mit 828m das derzeit höchste Gebäude der Welt, wurden auch eingeschmolzene Stahlträger, die aus dem Abriss des Palastes der Republik stammten, benutzt. Die Pracht der Bauikonen kontrastiert mit den prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen vor allem migrantischer Beschäftigter. Es ist ein globales Phänomen, von Dubai bis Berlin.

„In Nobody’s Service“ geht dieses Thema auf ganz verschiedene Weisen an. Die Ausstellung wird auch von Filmabenden (u. a. vom 2. bis 4. Mai), Performances (18. Mai), Ku­ra­to­r*in­nen­füh­run­gen (u. a. 6. und 28. April) sowie einem Stadtrundgang mit Vertreterinnen von Ban Ying (4. Mai) begleitet.

„In Nobody‘s Service“: Galerie Wedding, bis 18. Mai