Plötzlich mit großer Hingabe

Der FC Bayern bezwingt Arsenal auch dank des Geschicks von Trainer Thomas Tuchel und kann nun noch den größten Titel gewinnen

Eng zusammengerückt: Der FC Bayern präsentiert seine kollektive Stärke Foto: Angelika Warmuth/reuters

Aus MünchenElisabeth Schlammerl

Die Kabinenparty dauerte etwas länger, nicht nur weil der Erfolg an diesem Champions-League-Abend für den FC Bayern doch etwas Besonderes war. In einer Saison, in der vieles schieflief, die aber doch mit einem besonderen Ereignis enden könnte. Einem ganz großen in Wembley Anfang Juni, vielleicht sogar wie 2013 ein Duell mit Borussia Dortmund. Das etwas kleinere gelang schon mit dem Einzug ins Halbfinale, mit dem 1:0 gegen Arsenal London, das Klubchef Jan-Christian Dreesen draußen vor den Mikrofonen „ein versöhnliches Ergebnis“ nannte.

Drinnen schweifte der Blick der Spieler sicher immer wieder zum Fernseher ab, zu dem anderen Viertelfinale an diesem Mittwoch, das in die Verlängerung gegangen war und im Elfmeterschießen entschieden wurde. Erst als Real Madrid als Sieger feststand, löste sich die Feier auf. Zuvor hatte es noch das obligatorische Mannschaftsfoto gegeben, das der Verein auf der Homepage veröffentlichte. Im Mittelpunkt des Bildes stand Thomas Tuchel, dahinter die Spieler.

Es mag keine bewusste Entscheidung des Trainers gewesen sein. Vielleicht war es eher Zufall, entstanden aus der Situation, dass Tuchel im Vordergrund steht und nicht etwa Joshua Kimmich, der das Tor des Abends erzielte und damit die Münchner zum ersten Mal seit 2020 in die Runde der letzten vier brachte. Aber ein wenig hat diese Choreografie schon seine Berechtigung, denn der Erfolg gegen Arsenal ist auch der von Tuchel, weil er es geschafft hat, eine Mannschaft, mit der er nicht viel anfangen kann und die mit ihm nicht viel anfangen kann, wenigstens in der Champions League hinter sich zu bringen. „Die Hingabe, die Bereitschaft zu leiden, die Verbissenheit, es als Team zu schaffen“, gibt er zu, seien in der Königsklasse auf einem anderen, höherem Niveau als in der Bundesliga.

„Das müssen wir uns ankreiden. Da bin ich als Trainer mitverantwortlich“, weiß Tuchel. Gegen Arsenal hat er in beiden Spielen „genau das richtige Rezept gefunden“, fand Leon Goretzka. Präsident Herbert Hainer sprach von einer „taktischen Meisterleistung“, und Sportvorstand Max Eberl nannte es „einfach schlau“, wie die Münchner glanzlos, aber leidenschaftlich diese eine Titelchance, die sie noch haben, am Leben erhielten.

Tuchel übte sich – anders als auf dem Foto – später in Zurückhaltung. Die Vorgaben des Trainers seien „immer nur ein Gefährt, das die Spieler mit Leben füllen. Sie sind die Fahrer“, sagte er und hob mehrmals die Leistung der Mannschaft hervor. Er sagte dies allerdings in der Gewissheit, dass er die Bayern nicht als gänzlich gescheiterter Trainer verlassen wird, selbst wenn der Einzug ins Finale nicht gelingt.

Es sei schon allein „ein Ausrufezeichen“, für die Bundesliga, für den deutschen Fußball, fand Eberl, dass Dortmund und Bayern in der Runde der letzten vier stehen, aber keine Mannschaft aus der wohl besten Liga der Welt, der Premier League. „Jetzt wollen wir beide“, so der Münchner Sportvorstand, „noch mehr.“ Eine Neuauflage des Finales vor elf Jahren, das „würde mir gefallen, würde ich nehmen“, sagte Kimmich.

Es ist typisch für diese Saison der Bayern, dass ein anderes Thema die sportlichen Leistungen, vielleicht nicht gerade überlagerte, aber begleitete. Es mag nicht der passende Moment gewesen sein nach dem Triumph im Viertelfinale und womöglich wären die Bayern nach so einem tatsächlich verschont geblieben von Fragen nach dem neuen Trainer, hätte sich nicht Julian Nagelmanns Berater just in einer Folge des Podcasts „Spielmacher“ dazu geäußert. Indirekt gab er zu, dass die Münchner Interesse gezeigt hätten, den aktuellen Bundestrainer im Sommer zurückzuholen. Das werde sich „zeitnah“ entscheiden, verrät Volker Struth. „In den nächsten fünf, sechs, sieben Tagen.“ Dass die Bayern dazu nichts sagen wollten, ist keine Überraschung. Ebenso wenig wäre es aber eine, wenn beim Halbfinal-Hinspiel am 30. April gegen Real Madrid der neue Trainer tatsächlich schon feststünde und Nagelsmann heißen würde.