Stadtgespräch Simone Schlindwein aus Kampala
: Eine Volkszählung in Uganda droht zu scheitern. Und dann versinkt die Hauptstadt auch noch in Wassermassen

Gespenstische Stille liegt am Freitagmorgen über der sonst so geschäftigen Hauptstadt Ugandas, Kampala. Wo sich normalerweise die Autos stauen, herrscht gähnende Leere. Läden, Ämter, Schulen und Büros bleiben zu. Nur die Polizei patrouilliert hier und da – um sicher zu gehen, dass die Leute zu Hause bleiben.

Der Grund: Ugandas Präsident Yoweri Museveni hat spontan einen Feiertag ausgerufen, „um den ersten Tag der Volkszählung durchzuführen“. Genaue Bevölkerungsdaten seien notwendig für die Regierung, aber auch für internationale Geber, um „angemessene soziale Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung und Bildung zur Verfügung zu stellen“.

Uganda hat eine der höchsten Geburtenraten der Welt. Jährlich wächst die Bevölkerung um mehr als eine Million. Mittlerweile sind es geschätzt knapp 50 Millionen. 80 Prozent sind unter 35. Die letzte Volkszählung wurde vor zehn Jahren durchgeführt, damals wurden 34 Millionen Menschen erfasst.

Um möglichst genaue Daten zu erhalten, hat Ugandas Statistikbehörde UBOS rund 180 Fragen vorbereitet: vom Geburtsort über die Zahl der Mobiltelefone pro Haushalt bis hin zum Einkommen – all das soll in rund 45 Minuten abgefragt werden. Zehn Tage lang sollen dafür landesweit 120.000 extra geschulte Personen mit Tablets von Tür zu Tür gehen. Doch bereits zu Zensus-Beginn protestierten viele „Volkszähler“. Die Regierung hatte ihnen umgerechnet rund 10 Euro Lohn versprochen. Die meisten hielten das für den Tagessatz. Doch als sie am Freitag die Tablets abholten, mussten sie einen Vertrag unterschreiben, in dem die 10 Euro als Gesamtlohn für zehn Tage ausgewiesen wurden. Vielerorts traten deshalb die Zähler gar nicht erst an.

Diese Art von Kommunikationschaos scheint gerade überall zu herrschen. Seit über drei Wochen bemüht sich die Regierung über sämtliche Kanäle, den Ugandern zu erklären, warum der Zensus wichtig sei. Nur mit diesen Daten könne man vernünftig planen, so die Erläuterung.

Doch die Ugander sind skeptisch, es fehlt an Vertrauen. Die Infrastruktur ist marode: Straßen sind Schlaglochpisten, fast alle Schulen und Krankenhäuser wurden privatisiert. Gerade haben die Menschen gegen die Einführung eines digitalen Steuersystems gestreikt. Das Geld würde von korrupten Beamten geklaut, für Straßen und Schulen sei nichts übrig, so die Protestler.

Religiöse Führer haben ihre Anhänger gewarnt, dass die Volkszählung „teuflisch“ sei und diejenigen, die gezählt würden, sterben könnten. Deswegen droht Ugandas Statistikbehörde Verweigerern mit Geldstrafen von 150 Euro und sechs Monaten Haft. „Wenn wir zum dritten Mal an der Tür klingeln und Sie weigern sich immer noch, bringen wir Sie vor Gericht“, so James Muwonge von der UBOS. Mit dieser Drohung landete er auf den Titelseiten sämtlicher Zeitungen.

Ugandas Medien weigern sich hingegen, die offiziellen Aufklärungsbotschaften der Statistikbehörde zu veröffentlichen. Der Medienverband weist in einer Erklärung darauf hin, dass für diese Kampagne kein Medienbudget eingeplant worden sei.

Am meisten sorgen sich die Ugander um die Sicherheit ihrer Daten. Wer kann und darf auf diese zugreifen? Und welche Konsequenzen ergeben sich, wenn sie ihr Einkommen angeben? „Wird meine Haushälterin eine Lohnerhöhung fordern, wenn sie erfährt, wie viel ich verdiene?“, fragt jemand in einer Whatsapp-Gruppe. „Was wird meine Frau sagen, wenn ich angebe, dass ich Kinder mit anderen Frauen habe?“, fragt ein anderer. „Sollen wir nun zehn Tage zu Hause sitzen?“, fragen sich viele.

Und wundern sich, warum eine Volkszählung ausgerechnet in der Regenzeit stattfindet. Denn der Wetterdienst hat eine Unwetterwarnung herausgegeben: „Was ist, wenn es regnet? Dann sitzen wir alle zu Hause. Und niemand kommt vorbei, um uns zu zählen!“ Pünktlich zum Zensus-Beginn am Freitagvormittag setzte dann in Kampala auch der Starkregen ein. Innerhalb von Minuten stand die ganze Stadt unter Wasser.