Mietwucher den Kampf ansagen

Ein neues Gutachten kommt zum Ergebnis: Mietwucher ließe sich durch eine Reform besser bekämpfen. Die Bundesregierung bleibt jedoch skeptisch

Von Jasmin Kalarickal

Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, will Mietwucher stärker bekämpfen. Oder wie er es formuliert: die derzeitige Rechtsprechung „geländegängig“ machen. Dafür hat der Deutsche Mieterbund ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie die derzeitigen Regelungen reformiert werden könnten.

Derzeit gilt: Übersteigt eine vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um 20 Prozent, wird rechtlich von „Mietpreisüberhöhung“ (Paragraf 5 Wirtschaftsstrafgesetz) gesprochen. Dies ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einem Bußgeld von bis zu 50.000 Euro bestraft werden. Sind es mehr als 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete und nutzt der Vermieter eine Zwangslage aus, gilt das als Straftat. „Wucher“ (Paragraf 291 Strafgesetzbuch) kann mit Geldstrafen und Haftstrafen bis zu 3 Jahren sanktioniert werden. Wichtig: In der öffentlichen Debatte werden meist beide Fälle als Mietwucher bezeichnet.

Das juristische Gutachten, das am Dienstag online vorgestellt wurde, beschäftigt sich mit Reformperspektiven für das Verbot der Mietpreisüberhöhung und der Frage, wie verfassungskonform ein Gesetzesentwurf des Bundesrates ist, der im Frühjahr 2022 in den Bundestag eingebracht wurde, um Mietwucher besser bekämpfen zu können. Das Fazit: Verfassungsrechtlich bestehen keine Bedenken. Vom Bundesrat werden vor allem zwei Punkte gefordert: eine Verdopplung des Bußgelds, zudem soll es leichter werden, gegen überhöhte Mieten vorzugehen. Kritisiert wird, dass das bestehende Verbot der Mietpreisüberhöhung „in der Praxis weitgehend wirkungslos“ sei. Mie­te­r*in­nen müssen nachweisen, dass Ver­mie­te­r*in­nen das geringe Angebot an vergleichbaren Wohnungen bewusst ausgenutzt haben.

Was das in der Praxis bedeute, erklärte Katharina Wagner, Leiterin des Amtes für Wohnungswesen in Frankfurt am Main. Die derzeitige Rechtsprechung sei für die Verwaltung eine große „Herausforderung“ und für Mie­te­r*in­nen vor allem mit viel „Unsicherheit“ verbunden. In Frankfurt würden über ein Onlinetool etwa 200 Verdachtsfälle überhöhter Mieten pro Jahr gemeldet. Darunter seien extreme Fälle, wo die Kaltmiete 1.700 Euro beträgt, obwohl sie laut Mietspiegel nur 900 betragen dürfte. Alle Fälle würden geprüft und gegebenenfalls Ver­mie­te­r*in­nen aufgefordert, die Miete zu senken. Wenn diese jedoch Widerspruch einlegen, geht es weiter vor Gericht. Dort müssen Mie­te­r*in­nen genau nachweisen, wo sie überall gesucht haben, wo sie abgelehnt wurden und dass diese schwierige Lage bewusst ausgenutzt wurde.

„Eine Reform ist dringend geboten und auch rechtlich möglich“

Zanda Martens, (SPD), MdB

Kilian Wegner, Juniorprofessor für Strafrecht an der Stiftung Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), der das Gutachten erstellt hat, versuchte die Bedenken der Bundesregierung zu entkräften. Diese sehe Schwierigkeiten beim „verfassungsrechtlichen Schuldprinzip“. Das hält Wegner aber für unberechtigt und vermutet eher politische Gründe dahinter.

Das Bundesjustizministerium steht dem Entwurf des Bundesrates jedenfalls nach wie vor kritisch gegenüber. Das Ministerium verweist auf taz-Nachfrage nur auf eine Aussage von Bundesjustizminister Marco Buschmann aus dem April 2022. „Für einen liberalen Justizminister“ sei der Bundesratsentwurf „weder sachlich vertretbar noch zielführend“, sagte er da. Der Vorschlag stehe „in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Prinzip der sozialen Marktwirtschaft“. Beim SPD-geführten Bauministerium klingt das etwas anders. „Wucherisches Verhalten“ dürfe „nicht ohne Sanktionen hingenommen werden“, teilte es der taz mit. Daher sei es wichtig, dass der Paragraf 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes „seine […] weitgehend eingebüßte Wirkung wieder entfalten kann“. Auch Rechtspolitikerin Zanda Martens (SPD) begrüßte das Gutachten und sieht eine Reform nun für „dringend geboten und auch rechtlich möglich“. Grünenpolitikerin Canan Bayram sagte, ein solche Reform wäre eine „große Erleichterung für viele Mieter*innen“, sei aber nur ein „Mosaikstein einer dringend anstehenden Reform des sozialen Mietrechts“.