Kritisch bis zum Schluss

Die Neuköllner Sozial- und Umweltaktivistin Eva Willig ist tot

Von Peter Nowak

Als „Lobbyistin für Arme“ hat sie sich gern selber bezeichnet. Schon Ende März ist Eva Willig im Alter von 74 Jahren verstorben.

Sie fehlte lange Jahre auf keiner Protestveranstaltung gegen Hartz IV. Vor 20 Jahren hatte sie zusammen mit anderen ein Notruftelefon aufgebaut, über das Mie­te­r*in­nen sich Unterstützung holen konnten, die von Zwangsräumung bedroht waren.

Das Interesse für die Armen hatte viel mit ihrer eigenen Biografie zu tun, wie die 1948 in Thüringen geborene Willig gern erzählte. „Meine Mutter stammt aus einer kleinstädtischen Handwerkerfamilie“, sagte sie einmal. „Die Großeltern hatten sieben Kinder. Meine Mutter war die Älteste und musste schon früh Verantwortung übernehmen. Diese Verpflichtung übertrug sie später auf mich, ihr erstgeborenes Kind.“

In den 1960er Jahren ging Willig zum Studium der Sozialpädagogik nach West-Berlin und ließ sich dort vom sozialen Aufbruch jener Jahre inspirieren. Nach einem längeren Aufenthalt in den USA zog Eva Willig 1977 zurück nach Berlin – genauer: nach Neukölln. Der Stadtteil wurde nicht nur ihr Lebensmittelpunkt. Dort war sie seitdem auch in verschiedenen Initiativen gegen Armut, steigende Mieten und für eine bessere Gesundheits- und Wohnungsversorgung aktiv.

Nicht erst in den letzten Jahren war Willig auch das Thema Natur- und Umweltschutz ein wichtiges Anliegen. Über mehrere Jahre hinweg organisierte sie Kräuterspaziergänge in den Parks von Neukölln und Umgebung. Dabei informierte sie die interessierten Teil­neh­me­r*in­nen über die vielen essbaren Pflanzen, die dort wachsen. „Essbares Neukölln“ heißt dann auch ein informatives Buch zu dem Thema, das Willig vor einigen Jahren im Eigenverlag herausgegeben hat.

Wenn etwa Büsche am Weigandufer gerodet oder in einem Volkspark Bäume gefällt werden sollten, gehörte Willig zu den Ersten, die dagegen protestierten. Damit machte sie sich bei vielen Po­li­ti­ke­r*in­nen nicht nur Freund*innen. Aber sie wurde respektiert. Ende der 1980er Jahre saß Willig zwei Jahre lang für die Alternative Liste in der BVV Neukölln. Nach diesem Ausflug in die parlamentarische Politik wurde sie nur noch in außerparlamentarischen Initiativen aktiv.

Bis kurz vor ihrem Tod beteiligte sie sich in der Sozialberatung im Stadtteilladen Sonnenallee 154. Auch im Mietenwahnsinnsbündnis war sie eine kritische Stimme. Am 13. Juni kann man sich bei der Beisetzung von Eva Willig zu verabschieden. Der Treffpunkt ist 11 Uhr vor der Kapelle am Mariendorfer St.-Michael-Friedhof, Gottfried-Dunkel-Straße 29.