die taz vor 15 jahren: jürgen voges über niedersachsen und rot-grün
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Die Basis der niedersächsischen Grünen soll gejubelt haben, als ihr am Samstag hinter verschlossenen Türen der Stand der rot-grünen Verhandlungen über die Atompolitik eröffnet wurde: Das Akw Stade zuerst abschalten, die Atomanlagen im Landkreis Lüchow-Danneberg ohne Zukunft, die Koalitionäre einig gegen die Endlager Gorleben und Schacht Konrad.

Klarstellen, daß es keine sicheren Endlager gibt, daß die „Entsorgungsnachweise“ für alle bundesdeutschen Akws bisher nur auf dem Papier existieren und danach über den fehlenden Entsorgungsnachweis der Akw-Industrie den Garaus machen. Dies war schon immer die Strategie nicht nur der Atomexperten des grünen Landesverbandes. Die SPD hat sich nun auf diese Position zubewegt. Dennoch: Bei den Grünen wird sich bald Ernüchterung breitmachen.

Die Koalitionäre wollen bei dem Ausstieg „nach Recht und Gesetz“ verfahren. Die Bürgerinitiativen, die in Niedersachsen einen Gutteil der grünen Basis stellen, fordern aber mehr, als der Handlungsspielraum einer Landesregierung hergibt. Die Koalitionäre überlegen zur Zeit etwa, das Endlager Schacht Konrad durch endloses Hinausziehen des Genehmigungsverfahrens sterben zu lassen. Die Konrad-Gegner aus Salzgitter aber wollen es jetzt und endgültig loswerden, wollen das von den Grünen versprochene Wort Abbruch in der Koalitionsvereinbarung sehen. Die Grünen müssen befürchten, daß die SPD Schacht Konrad am Ende doch noch zur Atommüllkippe machen will. Die große Blockade kommt, wenn der Betreiber des Gorlebener Zwischenlagers von seiner rechtskräftigen Genehmigung zur Einlagerung abgebrannter Brennelemente Gebrauch macht. Werden dann die Begriffe „Recht und Gesetz“ eng ausgelegt? Soll dann die Polizei gegen die grüne Basis ausrücken?

Spätestens dann wird sich klären, ob eine künftige rot-grüne Regierung das Wendland von hochradioaktivem Müll freihalten will und kann. 30. 5. 1990