Buchtipp

Unter der Glasglocke

So sicher, so abwägbar, so ausgelotet wie in der All-inclusive-Anlage ist das Leben in Globalia. Eine riesige Glaskuppel umspannt dessen ganze Einflusssphären, die so vor negativen Einflüssen und Migration aus den „Non-Zonen“ geschützt werden. Die Non-Zonen, das ist der ganze unerträgliche Rest der Welt, der bedroht, verloren und verkommen vor sich hin vegetiert. Globalia, das ist die perfekte Demokratie, die das Individuum in seinen unendlichen Bedürfnissen, seinem permanent angeheizten Konsum schützt und stützt. Die Menschen sind rundum versorgt. Das Alter ist abgeschafft, die Vergangenheit auch, die Jugend wird misstrauisch beäugt, die Alten ziehen wie Zombies die Fäden. Alles in Globalia ist erlaubt, bis auf das Abenteuer, das Ungewisse.

„Globalia“ ist das neue Buch des 52-jährigen Arztes, Schriftstellers und Mitbegründers von „Ärzte ohne Grenzen“ Jean-Christophe Rufin. Es ist ist ein utopischer Thriller. George Orwell und Aldous Huxley lassen grüßen. Aber „Globalia“ übertrumpft die angestaubten Klassiker, denn es trägt den Entwicklungen in Politk, Wirtschaft und Gesellschaft Rechnung. Auf einer Trekkingtour – natürlich unter verglasten Bergen – entflieht Baikal der perfekten Gesellschaft in die „Non-Zone“. Bald jedoch fängt ihn der „Gesellschaftsschutz“ wieder ein – allerdings nur, um anschließend eine mörderische Jagd auf ihn zu eröffnen. Denn wer das optimale Gemeinwesen von Globalia herausfordert, ist Terrorist oder zumindest suspekt.

Das spannende Buch ist intelligent gemachte Unterhaltungsliteratur, die nicht überzogen wirkt. Genau das gibt zu denken: Wie viele Menschen von heute würden sich einem derartigen Gesellschaftsentwurf problemlos fügen? Völlig blind gegenüber der politisch korrekten Beieinflussung, dem Mainstream, der aggressiven Selbstverteidigung, der fürsorglichen Entmündigung und dem enthemmten Kapitalismus. Lesen!EDITH KRESTA

Jean-Christophe Rufin: „Globalia“. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz, Köln 2005, 22,90 €