TOM STROHSCHNEIDER ÜBER DIE LINKE IN NORDRHEIN-WESTFALEN
: Alles andere als dämlich

Nach dem Beben von Düsseldorf wird jetzt nicht nur der FDP Dämlichkeit vorgeworfen, sondern auch der Linken. Im Lichte eigener Umfrageschwäche trotz Wissen um die Folgen einen Etat abgelehnt zu haben – das sei dumm oder Sektiererei.

Nun muss man der Linken sicher nicht bescheinigen, in der Zeit des rot-grünen Minderheitsexperiments alles richtig getan zu haben. Wer bei vier Prozent steht, hat auch Fehler gemacht. Dass die Partei jedoch gegen alle Vernunft ihre parlamentarische Existenz an Rhein und Ruhr riskiert habe, ist genauso falsch.

Das Beispiel des Haushalts 2011 hat gezeigt, dass eine Linke, mit der ernsthaft verhandelt und der etwas angeboten wird, auch zu Kompromissen bereit ist. Das war diesmal nicht der Fall. Hätte die Linke den Etat 2012 bloß mitgetragen, um risikoreiche Neuwahlen zu vermeiden, hätte man ihr das als opportunistischen Umgang mit den eigenen Zielen vorgeworfen. Die Partei ist damit konfrontiert, dass jedes Nein zu Kürzungen im Zeitalter der Schuldenbremse schnell zu einer Forderung außerhalb des vertretbaren politischen Kanons erklärt wird – was man aber nicht ihr, sondern jenen vorwerfen sollte, die dieses erneuerte TINA-Prinzip der Alternativlosigkeit zur Richtschnur machen.

Soziale Gestaltung hatte auch Rot-Grün versprochen, am Ende wollte man sich Mehrheiten mit einer in die andere Richtung marschierenden FDP organisieren. Dass die Linke dagegen auf Glaubwürdigkeit setzte und diese aus dem Beharren auf Kernforderungen wie dem Sozialticket ziehen wollte, kann nur der fundamentalistisch nennen, der genug Geld hat, um auf den öffentlichen Nahverkehr zu verzichten. Die Linke hat nicht alles richtig gemacht – Dämlichkeit aber muss sie sich nicht attestieren lassen.

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