HEIKE HAARHOFF ÜBER WEITERE TODESFÄLLE AUF EINER FRÜHCHENSTATION
: Beispielloses Versagen

Die Klinik in Bremen hat über Monate die Infektionen einfach nicht gemeldet

Kinder sind gestorben in einer Bremer Klinik. Falsch. Wieder sind Kinder gestorben in einer Bremer Klinik. Wieder, das ist das Problem. Der Reihe nach. Ein multiresistenter Darmkeim wird im Herbst 2011 als Schuldiger ausgemacht, es wird geschimpft auf mangelnde Hygiene und auf den unkritischen Einsatz von Antibiotika, die die Entstehung solcher Keime erst ermöglichen. Klinikpersonal wird entlassen, ein Untersuchungsausschuss eingesetzt und schließlich, Anfang 2012, die Renovierung der Frühchenstation gefeiert. – Lange sah es so aus, als sei Bremen ein Einzelfall, traurig, aber kontrollierbar.

Das Gegenteil stimmt. Der Keim ist zurück. Und während Politiker und Behörden vorgeben zu rätseln, wie all das passieren konnte, reicht ein Blick auf die – allein bislang! – bekannten Fakten, um sich vor Ekel abzuwenden, mit welcher Laxheit die Sicherheit von Patienten und deren Recht auf Standard-Hygiene gehandhabt wurden.

Wenn es jetzt etwa heißt, man wisse leider nicht, ob Klinikpersonal den Erreger eingeschleppt habe, dann ist das zynisch: Es reichen sterile Wattestäbchen, um Abstriche von Mund und Nase zu nehmen und kontaminierte Pfleger nach Hause zu schicken.

In einer beispiellosen Selbstüberschätzung, die Dinge selbst in den Griff kriegen zu können, hatte die Klinik die Infektionen monatelang einfach nicht gemeldet. Jede Seuche, auch das eine Binsenweisheit, nicht erst seit Ehec, ist aber ein Wettlauf mit der Zeit: Die Wahrscheinlichkeit, die Quelle der tödlichen Keime zu finden, sinkt mit jedem Tag, der tatenlos verstreicht.

Das Robert-Koch-Institut, Deutschlands oberste Seuchenbehörde, verfügt über Kompetenz und Experten. Sie jedoch dürfen erst dann tätig werden, wenn die Kliniken oder die Landesaufsichtsbehörden – es grüßt der deutsche Föderalismus – sie anfordern. Und Bremen? Streicht lieber die Wände der verkeimten Frühchenstation. In der fatalen Hoffnung, die eigene Unfähigkeit so zu übertünchen.

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