DOMINIC JOHNSON ÜBER DEN KAMPF DER OPPOSITION IM SUDAN
: Sudan geht in die Hose

Sudans Opposition setzt nun auf den Kulturkampf, um das Regime unter Druck zu setzen

Es ist schon verwunderlich, mit was für Lappalien es Sudans Regierung schafft, sich in die Nesseln zu setzen. Da tobt in Darfur weiterhin ein blutiger Krieg, und im autonomen Südsudan forderten mutmaßlich von der Zentralregierung in Khartum angestachelte Konflikte zwischen ethnischen Milizen allein am Wochenende 185 Tote. Aber nicht diese Schreckensnachrichten sorgen für erregte Debatten im Sudan und für Empörung weltweit, sondern der Prozess in Khartum gegen eine junge Frau wegen des Tragens einer Hose.

Diese Feststellung bedeutet nicht, dass Ludna Husseins Schicksal unwichtig wäre. Sie verweist vielmehr darauf, welche Umwege die Diskussion im und über den Sudan gehen muss, um das tief gespaltene Land aus seinen schier endlosen Dauerkrisen zu befreien. Die Reform der sudanesischen Sicherheitsgesetze, die Generäle und Islamisten nach dem Militärputsch des heutigen Präsidenten Bashir 1989 schrieben, ist ein zentraler Punkt des 2005 geschlossenen Friedensabkommens zwischen Khartum und den Rebellen des nichtmuslimischen Südsudans. Sie ist aber bisher nicht erfolgt. Und auch die einst für dieses Jahr vorgesehenen freien Wahlen in ganz Sudan sind bislang nicht abzusehen. Die mögliche Unabhängigkeit Südsudans, der 2011 über seine Zukunft abstimmen darf, ist unter diesen Umständen eher das Signal zum Krieg als die Vollendung eines Friedensprozesses.

Jetzt will Sudans zunehmend ratlose demokratische Opposition Ludna Hussein zur Heldin eines Kulturkampfes machen, um das Regime aus einer neuen Richtung in die Defensive zu treiben, nachdem militärische Machtproben gescheitert sind. Ob das funktioniert, ist offen. Aber die Lockerung repressiver Einschüchterungsgesetze ist ein zentraler Teil des Kampfes für einen besseren Sudan. Und Ludna Hussein ist es zu wünschen, dass sie nicht als Ikone eines innenpolitischen Streits verheizt wird.