Zweiter Anlauf in Moldau

PARLAMENTSWAHLEN Nach den Unruhen im April wird massiver Druck auf Wähler und Beobachter vor dem neuen Urnengang ausgeübt. Ein politischer Neuanfang ist fraglich

VON BARBARA OERTEL

BERLIN taz | Knapp vier Monate nach dem letzten Urnengang sind die Bürger der Republik Moldau am heutigen Mittwoch erneut aufgerufen, ein Parlament zu wählen. Nötig geworden war die vorgezogene Abstimmung, weil die Wahl eines neuen Staatschefs in der Volksvertretung im Juni gescheitert war.

Aus den regulären Parlamentswahlen am 5. April waren die seit acht Jahren regierenden Kommunisten (PKRM) mit 49,48 Prozent und 60 von 101 Mandaten als klarer Sieger hervorgegangen. Wahlbetrugsvorwürfe der unterlegenen Opposition waren das Fanal für die schwersten Ausschreitungen seit der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepublik 1991. Bei Krawallen am 7. und 8. April, während derer Demonstranten in das Parlamentsgebäude eindrangen, wurden mindestens zwei Menschen getötet und rund 200 verhaftet.

Noch immer liegen viele Details des Polizeieinsatzes im Dunkeln. So kritisierte der EU-Kommissar für Menschenrechte, Tomas Hammerberg, massiv das Verhalten der moldauischen Behörden. Der Druck, der auf Medien und Nichtregierungsorganisationen ausgeübt werde, die sich um Aufklärung der Ereignisse bemühten, sei nicht hinnehmbar.

Nicht zuletzt das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte im vergangenen April dürfte die Kommunisten einiges an Zustimmung kosten. Laut jüngsten Umfragen können sie mit 32,6 Prozent der Stimmen rechnen. Chancen, die Fünfprozenthürde zu überwinden, haben noch die liberale Partei (LP, 14,9 Prozent), die Liberaldemokratische Partei in Moldau (PLDM, 10,8 Prozent), die Demokratische Partei von Moldau (PDM, 10,7 Prozent) sowie die „Allianz unsere Moldau“ (AMN, 7,8 Prozent).

Wie im April prangert das rechtsliberale Lager wieder massive Manipulationsversuche der Kommunisten vor den Wahlen an. So berichtet die moldauische Nichtregierungsorganisation Promo-Lex von Versuchen der Staatsmacht, ihre Beobachter unter Druck zu setzen. Zudem würden auch Wähler eingeschüchtert. So sei alten Menschen in einem Dorf gedroht worden, ihnen die Renten nicht auszuzahlen, sollten sie gegen die Kommunisten stimmen.

Igor Munteanu, Leiter des Instituts für Entwicklung und soziale Initiativen (Idis) „Viitorul“, spricht von einer sehr aggressiven Wahlkampagne. Zum ersten Mal seit 1991 seien die Voraussetzungen für einen politischen Guerillakrieg geschaffen worden, wobei die Staatsmacht als Anstifter agiere, zitiert ihn die Tageszeitung Kommersant Plus. „Die diesjährigen Wahlen verfestigen das strukturelle Demokratiedefizit in Moldau mit einer Regierungspartei, die gierig nach Macht und verblendet von gewinnsüchtigen Interessen ist und keinen Wettbewerb und politischen Pluralismus toleriert“, so Munteanu weiter.

Daher ist es fraglich, ob die Wahlen einen Neuanfang ermöglichen. Dabei hätte der 4,5-Millionen-Einwohner-Staat politische Stabilität dringend nötig. Drei Viertel der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Rund eine Million Moldauer arbeiten im Ausland. Ihre Zahlungen an Angehörige machen rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (3,24 Millionen Euro im Jahr 2007) aus.