Staatsanwälte wahren ihr Gesicht

NRW-JUSTIZ Im Verfahren wegen Korruption im Umweltministerium werden abgehörte Telefonate gelöscht, entlastendes Material wird vernichtet

Auch das Landgericht Wuppertal rügte bereits den sorglosen Umgang mit der Ermittlungsakte: Die lag dem Anwalt einer Belastungszeugin bereits vor, während die Verteidigung noch auf Einsicht wartete

DÜSSELDORF taz | In der Justizaffäre um angebliche Korruption im nordrhein-westfälischen Umweltministerium wird trotz Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses weiter ermittelt. Wohl um ihr Gesicht zu wahren, wirft die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal dem Vertrauten der ehemaligen grünen NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn, Harald Friedrich, noch immer die „Verletzung von Dienstgeheimnissen, Verwahrungsbruch und Vorteilsnahme“ vor. Letzteres bestätigte der Leiter der Behörde, der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Schoß, der taz.

Der einstige Abteilungsleiter Friedrich war am Höhepunkt des Skandals um die Verseuchung des Trinkwassers der Ruhr mit krebserregenden perfluorierten Tensiden (PFT) im Mai 2008 festgenommen worden. Er saß drei Wochen in Untersuchungshaft. Ziel einer bundesweiten Razzia, zu der die Wuppertaler Ermittler 275 Polizisten ausrücken ließen, waren auch Wohn-, Instituts- und Geschäftsräume von 12 weiteren Tatverdächtigen, darunter mehrere Universitätsprofessoren.

Bandenbildung, Korruption, Betrug und Untreue: So lauteten die Vorwürfe des ermittelnden Wuppertaler Oberstaatsanwalts Ralf Meyer. Friedrich habe Forschungsmittel in Höhe von 60 Millionen Euro den immer selben Hochschuleinrichtungen und Ingenieurbüros zugeschoben.

Doch Staatsanwalt Meyer musste alle Verfahren, die zur Verhaftung Friedrichs führten, mittlerweile einstellen. Der Tatverdacht habe sich „nicht erhärtet“, so Meyer in der rund 11.000 Seiten zählenden Ermittlungsakte. Stattdessen werde das Verfahren von „Merkwürdigkeiten“ beherrscht, formuliert Friedrichs Anwalt Oliver Doelfs vorsichtig: Die Protokolle von rund 3.000 abgehörten Telefonaten Friedrichs, darunter auch Gespräche mit Landtagsabgeordneten, seien laut Akte einfach gelöscht worden. „Entlastendes Beweismaterial“ sei so „möglicherweise vernichtet worden“, glaubt Doelfs. Selbst das Landgericht Wuppertal rügte bereits den sorglosen Umgang mit der Ermittlungsakte: Die lag dem Anwalt einer Hauptbelastungszeugin bereits komplett vor, während die Verteidigung noch auf vollständige Einsicht warten musste.

Aufklären soll diese „Merkwürdigkeiten“ ein auf Antrag von SPD und Grünen im Juni eingerichteter Untersuchungsausschuss des Düsseldorfer Landtags. Der Verdacht der Opposition: Das Umweltministerium habe die Vorwürfe gezielt lanciert, um Minister Eckhard Uhlenberg im PFT-Skandal aus der Schusslinie zu bringen. Denn mit der Verhaftung Friedrichs war plötzlich nicht mehr die PFT-Belastung der Ruhr, die Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgt, sondern die angebliche Korruptionsaffäre das beherrschende Thema in Düsseldorf.

„Die Staatsanwaltschaft sollte mich meiner Meinung nach im Auftrag Uhlenbergs mundtot machen“, sagt der promovierte Chemiker Friedrich, der während des PFT-Skandals sein Fachwissen den Grünen zur Verfügung gestellt hatte. Den „Glauben an den Rechtsstaat verloren“ hat auch ein anderer Beschuldigter, der seinen Namen aus Furcht vor Repressalien nicht in der Zeitung lesen will: Sein Ingenieurbüro wurde durch die Affäre beinahe ruiniert, vier von fünf Angestellten musste er entlassen. „Es geht um meine berufliche Vernichtung“, glaubt der Wissenschaftler. ANDREAS WYPUTTA