Geschäfte sind Krieg

Eine korrupte Erfolgsstory: Joseph Finders Roman „Goldjunge“

Als Adam Cassidy der Rauswurf droht, ist er „Junior Product Line Manager“ in der „Enterprise Division“ des amerikanischen IT-Riesen Wyatt: „Glauben Sie mir, die Übersetzung davon wollen Sie gar nicht hören, sie ist einfach nur todlangweilig.“ Er ist froh, einfach nur ein geregeltes Einkommen zu haben, seinem kranken Vater, der ihn für einen Versager hält, finanziell beizustehen und ansonsten den Ball in seinem Bürojob so flach wie möglich zu halten: „Ich hatte die Wände frei von jeglichen Zeichen einer menschlichen Behausung gehalten – keine Fotos von Frau und Kind (klar, ich hatte ja auch keine), keine Dilbert-Cartoons, nichts Cleveres oder Ironisches, das besagte, dass ich nur unter Protest hier war, denn darüber war ich schon lange hinaus.“

Es ist dieser immer schon neben sich stehende Ich-Erzählperspektive in Joseph Finders Roman „Goldjunge“, die den Leser sofort für sich einnimmt und die der grandiosen Aufsteiger-Geschichte, die hier erzählt wird, über alle aufwendig recherchierten Klischees und Untiefen hinweghilft. Denn es ist von Anfang an alles Fake.

Dem sympathischen Büroslacker Adam wird eine opulente Ausstandsfeier, die er mit gefälschten Zugangsdaten für einen einfachen Lagerarbeiter seiner Firma ausrichten lässt, damit die einfachen Wyatt-Angestellten „endlich mal eine Ahnung davon bekamen, wie die großen Tiere lebten“, zum alles entscheidenden career move. Die Firmenspitze, namentlich der diabolische Nicholas Wyatt, wird auf ihn aufmerksam und bietet ihm an: Entweder er geht für die nächsten dreißig Jahre in den Knast oder er willigt ein, bei Trion, dem größtem Konkurrenten, als „Kite“ zu arbeiten. „Ein „Kite“ ist ein „Sonderbeauftragter“, der irgendwo eingeschleust wird und mit allen erforderlichen Mitteln Informationen sammelt (…) man lässt einen „Kite“ steigen, und wenn er sich irgendwo verfängt, kappt man die Schnur.

Also wird Adam Cassidy von seinem alten Arbeitgeber im Crash-Kurs zum „Goldjungen“ gemacht, dem es dann auch tatsächlich gelingt, bei Trion gleich in einer Topposition anzufangen und umgehend zum persönlichen Referenten des dortigen CEO Jock Goddard aufzusteigen. Zu seinem neuen Chef entspinnt sich schon bald ein Vater-Sohn-Verhältnis, was für Cassidy umso fataler ist, da er sich der Zuneigung von Goddard nur aufgrund der Insiderinformationen des erpresserischen Nicholas Wyatt sicher sein kann.

Ständig droht Cassidy bei seiner Spionage nach „Aurora“, einem Geheimprojekt Trions, aufzufliegen und es ist spannend und lehrreich zugleich, wie sehr ihm dabei vor allem seine soft skills oder „sozialen Kompetenzen“ helfen: seine Fähigkeit, mit anderen gut umzugehen, indem er deren Verhalten „spiegelt“, also sein Talent fürs Schauspielerische und die Lüge.

Somit ist dem 1959 in Chicago geborenen Bestseller-Autor Joseph Finder eine durch und durch korrupte Erfolgsstory gelungen, an deren Ende eine umso glaubwürdigere Moral steht: „Mein Junge, Wirtschaftsspionage gehört genauso zu Amerika wie Apfelkuchen und Chevrolet. Herrgott noch mal, was glauben Sie denn, wie Amerika eine ökonomische Supermacht wurde? (…) Und Geschäfte sind Krieg, das weiß jeder. Geschäfte, auf höchstem Niveau, sind Täuschung. (…) Sie sind kein Lügner, Adam. Sie sind ein gottverdammter Meisterstratege.“ ANDREAS MERKEL

Joseph Finder: „Goldjunge“. Aus dem Amerikanischen von Marie Rahn, Heyne Verlag, München 2004. 527 Seiten, 12 Euro