Pleite bei Walter frisst noch mehr Jobs

Konzernmitarbeiter befürchten höheren Stellenabbau als angekündigt und demonstrieren gegen Kahlschlag. Und auch viele Subunternehmer geraten in Finanznot. Sie haben für 850 Millionen Euro Aufträge übernommen – meist ohne Bürgschaft

AUS AUGSBURG KLAUS WITTMANN

Rund 1.000 Beschäftigte des zusammengebrochenen Walter-Bau-Konzerns haben gestern in Augsburg für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Die Gewerkschaft IG BAU warf dem vorläufigen Insolvenzverwalter Werner Schneider Wortbruch vor. Entgegen den Versprechungen seien die meisten der 9.000 Stellen akut gefährdet.

Die österreichische Strabag, die einen Großteil des Konzerns übernimmt, dementierte hingegen einen Kahlschlag. Die Strabag wolle in ihrem Bereich weiter mindestens 3.000 Arbeitsplätze erhalten, sagte Finanzvorstand Thomas Birtel der Nachrichtenagentur dpa.

Dem einst drittgrößten deutschen Baukonzern brechen wegen der ungewissen Lage die Aufträge weg. Aufträge in Höhe von rund 400 Millionen Euro gingen seit Anmeldung der Insolvenz verloren.

Im Zuge des Verfahrens übernimmt die Strabag unter anderem den Verkehrswegebau des Walter-Konzerns und Auslandsaktivitäten in Österreich und anderen Ländern. Dabei wollten die Österreicher laut ersten Ankündigungen 4.100 Arbeitsplätze erhalten, das Versprechen wurde aber bereits auf mindestens 3.000 Stellen abgeschwächt, darunter sind 800 Jobs bei der Walter Bau-AG und insolventen Töchtern.

Doch nicht nur im Konzern selbst sind die Zukunftsängste groß. Auch zahlreiche kleine und mittelständischen Betriebe warten auf ihr Geld von Walter Bau für Arbeiten, die längst erledigt sind.

Ein Beispiel ist die Firma Gebhard-Bedachungen in Königsbrunn bei Augsburg. Sie wird zwar den Forderungsausfall überstehen, aber auch bei der im Markt gut etablierten Firma wird es Konsequenzen geben, erläutert Inhaberin Chrisula Gebhard. „Wir haben durch die Insolvenz von Walter Bau rund 20.000 Euro verloren und die tun uns sehr weh.“ Die vierzehn Mitarbeiter und vier Auszubildenden könnten zwar weiter beschäftigt werden, aber bei den bereits geplanten Investitionen müsse sich der Dachdeckerbetrieb nun zwangsläufig zurückhalten.

Ulrich Wagner, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Schwaben (HWK), sagt, dass sich allein 100 Betriebe aus dem bayerischen Regierungsbezirk Schwaben bereits gemeldet hätten, die nun ganz erhebliche Schwierigkeiten mit ihren Banken bekommen. Und im Regierungsbezirk Leipzig sollen mehr als 50 Unternehmen betroffen sein.

Hinter vorgehaltener Hand gesteht so mancher Kleinunternehmer, dass ihm vor kurzem erst „der Dispo auf null gesetzt“ wurde. Viel zu dünn ist bei manchem Handwerker die Eigenkapitaldecke, und wenn dann die Bank davon Wind bekommt, dass 20.000 oder 50.000 Euro von Walter Bau ausstehen, dann kann es ganz schnell gehen mit der Dispo-Kürzung.

„Wir schätzen, dass mindestens 10 bis 20 Prozent der betroffenen Firmen das nicht überleben werden“, meint HWK-Mann Wagner. Die Forderungsausfälle belaufen sich nach seinen Angaben auf 20.000 bis zu 1,2 Millionen Euro.

Immer wieder heißt es jetzt bei Informationsveranstaltungen, die Subunternehmer hätten sich doch einfach entsprechende Baubürgschaften geben lassen müssen. Mit so genannten 648-a-Bürgschaften könnten die Forderungen abgesichert werden. Doch de facto haben nur wenige Handwerksbetriebe solche „648er“ bekommen. Das räumt auch Walter-Bau-Sprecher Alexander Görbing ein. Von den Subunternehmerleistungen in Höhe von 800 bis 850 Millionen Euro seien nur etwa 20 Prozent mit 648-a-Bürgschaften abgesichert worden. Man habe stattdessen auf „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ gesetzt, sagt der Walter-Sprecher. Denn diese Sicherungsbürgschaften seien nun mal ein nicht zu unterschätzender Kostenfaktor. MIT DPA