HAMBURGER SZENE VON JOHANN TISCHEWSKI
: Das Blitzen am Horizont

Wenn es einen Arsch der Heide gibt, dann muss er hier irgendwo ganz in der Nähe sein

Vor mir die endlosen Weiten des Hamburger Hafens und ganz hinten am Horizont dieser blitzende Punkt. Seit zwanzig Minuten laufe ich jetzt schon auf der Mitte der vierspurigen Straße, ohne auch nur einem Auto zu begegnen. Am frühen Sonntagmorgen ist das Hafengebiet das wohl vergessenste Stück Erde auf der ganzen Welt.

Wenn es einen Arsch der Heide gibt, dann muss er hier irgendwo ganz in der Nähe sein, denke ich, während meine dumpfen Schritte immergleich im Nichts verhallen. Sie sind der einzige Beweis dafür, dass die Zeit an diesem gottverlassenen Ort nicht einfach stehen geblieben ist – das einzige Geräusch, die einzige Bewegung im Umkreis von weiß der Himmel wie vielen Kilometern.

So wundert es nicht, dass sich meine Gedanken irgendwann dazu entscheiden, dieser Monotonie zu entschwinden. Langsam schweben sie über einen Stapel rostiger Container, gleiten über eine graue Köhlbrandbrücke; über eine leblose Großstadt hinweg, um die Welt der Dinge schließlich ganz hinter sich zu lassen.

Doch plötzlich holt mich das Blitzen vom Horizont ruckartig wieder ins Diesseits zurück. Es ist jetzt direkt vor mir und sagt mir über seine Lautsprecher: „Das ist eine Kraft-Verkehrs-Straße. Runter von der Fahrbahn! Sonst geht’s ab mit aufs Revier.“