Der ewige Zweite

ROTHENBAUM Michael Stich leitet die diesjährigen German Open. Um das abgespeckte Turnier längerfristig am Rothenbaum betreiben zu können, möchte er das Stadion auch für Konzerte nutzen

Bilder gibt’s. Boris, Bobele, Bumm-Bumm Becker, auf den Knien, die Hände gefaltet, vor der Brust und Leiden im Blick. So sieht einer aus, der fleht und bittet, einer, dem der Herr nimmt, ein Hiob, aber unser Tennisgott? Vor ihm im roten Sand liegt der Schläger, vor dem Schläger spannt sich das Netz, vor dem Netz aber, auf der anderen Seite, kniet noch einer. Die angewinkelten Arme, mit dem Tennisschläger in der rechten Hand, streben rechtwinklig vom Körper zu den Seiten, mit der Linie vom Scheitel zu den Schuhsohlen bilden sie ein Kreuz. So sieht einer aus, der vergibt, so deutet einer an, dass er nichts dafür kann, so sagt einer, dass es geschrieben steht. Und sein muss. Dieser andere, das ist Michael Stich. Im Halbfinale 1992 gegen Becker, dem er Schlag um Schlag das ganze Elend des irdenen Daseins enthüllt. 6:1, 6:1 steht’s am Ende am Rothenbaum.

Ins kollektive Gedächtnis eingegangen ist das Bild trotzdem nicht. Vielleicht weil da schon ein anderes herum geistert. Das von Stich als dem ewigen Zweiten. Am Anfang war Becker. Becker war der erste deutsche Wimbeldon-Sieger, dann gewann auch mal Stich. Becker war Weltranglisten-Erster, Stich einmal auf Rang zwei, mit Becker gewann Deutschland erstmals den Davis-Cub, mit Stich – irgendwann später. Das Sonderbare an der Sache: Stich ist gewillt, sie fortzusetzen. Dieses Jahr leitet er das Rothenbaumturnier, und nimmt den Platz ein, den Becker mehrere Jahre okkupiert hatte.

Wobei das Turnier nicht mehr dasselbe ist. Letztes Jahr hat es den Masters-Status verloren. Jetzt gibt es vom 18. bis zum 26. Juli für die Spieler weniger Punkte, für die Stars weniger Geld, und fürs Publikum weniger Spitzentennis. Stich, der ewige Zweite: Nun auch noch ein zweitrangiges Turnier an den Hacken.

Es hat schon eigene Größe, dass Stich trotzdem alles gibt. Da sich der Tennisstandort Rotherbaum mit dem abgespeckten German Opens nicht langfristig wird halten können, möchte er die Halle mit Großveranstaltungen bespielen. Bis zu zehn im Jahr hat der Bezirk genehmigt.

Neu ist die Idee freilich nicht. Der Dalai-Lama hat das Stadion gefüllt. Ein andern mal Pavarotti. Zu Boris Zeiten. MAP