INGE SEELIG, WEBMEISTERIN AUS DEM WENDLAND
: Weben macht autonom

■ webt seit den 70er Jahren. Ihre Gesellenprüfung legte sie 1985 ab, den Meistertitel 1989  Foto: privat

Mit den feministischen Musikerinnen der Band „Chicks on Speed“ hat die bodenständige Inge Seelig in ihrem Alltag wohl wenig gemeinsam. Allerdings verbindet beide, dass sie sich für eine Wiederbelebung der Handarbeit einsetzen. In dieser vermuten sie die Möglichkeit, aus den ökonomischen Zwängen auszubrechen. Seelig selbst ist gelernte Webmeisterin und hat am Donnerstag die Ausstellung „Handweberei heute“ im Textilmuseum Neumünster eröffnet.

Die 63-Jährige ist begeistert vom Gedanken des Do-It-Yourself, weil es sie unabhängig macht von dem, was ihr die Industrie vorsetzt. Sie freut sich, wenn sie sagen kann: „Ich habe das gemacht und bin nicht nur ein Rädchen, das konsumiert.“ Nebenbei entstehe ein schönes und nützliches Produkt.

„Infiziert“ vom Weben wurde die ehemalige Lehrerin durch einen Sommerjob als Weberknecht – eine Arbeit, bei der sie der Einsatz von Körper und Geist am Webstuhl gleichermaßen faszinierte. Schließlich hing sie ihren Beruf als Lehrerin an den Nagel und ließ sich zur Weberin ausbilden. Gegenwärtig ist die Frau aus Lüchow-Dannenberg Obermeisterin, also erste Vorsitzende der Weberinnung Norddeutschlands.

Seelig sieht im Handweben eine zentrale Kulturtechnik der Menschheit. Sie schätzt das Weben trotz seines verstaubten Images, weil es sich nicht so einfach ökonomischen Kriterien unterordnen lasse. „Handarbeit hat einen anderen Zeitbegriff“, sagt Seelig. „Man kann sich dabei Zeit lassen.“

Die steigende Zahl der Teilnehmerinnen an ihren Kursen zeigt ihr, dass die Nachfrage nach Selbstgemachtem größer wird. Nach wie vor ist Handarbeit bis auf wenige Ausnahmen Frauensache. Nur wenige Frauen mit unternehmerischen Geschick können von dieser Arbeit leben. „Wir decken nicht mehr Grundbedürfnisse ab“, räumt die Weberin ein. Doch darauf kommt es für sie auch nicht an. Das Weben sei „heilsam für die Person“. Eine Weberin durchschaue und bestimme den Prozess von Anfang an selbst. „Ich merke das auch bei mir selbst und bei den Schülerinnen“, sagt Seelig. „Es schafft ein neues Selbstbewusstsein.“ BNE