EU-CHEMIE-REGELN SCHADEN DEN BETRIEBEN MEHR ALS NÖTIG
: Zu viel des Guten

Die Verbraucher haben ein Recht darauf, vor chemischen Giften geschützt zu werden. Deshalb ist der Entwurf für ein Zulassungssystem chemischer Substanzen und die schrittweise Prüfung der bereits in Umlauf befindlichen 30.000 Stoffe überfällig. Sogar die chemische Industrie räumt inzwischen ein, dass mögliche Gesundheitsschäden durch Produkte besser erforscht werden müssen. Von ihrer Fundamentalopposition sind die Verbände inzwischen abgerückt.

Die Anhörung gestern im Europaparlament zeigte aber wieder einmal, dass bei Abwägung zwischen Wirtschaftlichkeit und Gesundheit der Teufel im Detail steckt. Würde der von der EU-Kommission 2003 vorgelegte Entwurf unverändert Gesetz, müssten viele kleine europäische Verarbeitungsbetriebe dichtmachen. Was große Produzenten in ihren Forschungsabteilungen an Tests und Dokumentation mühelos leisten können, ist für die Kleinen nicht kostendeckend zu schaffen.

Deshalb sollen diese Betriebe nach Vorstellung der Kommission Zulassungsverbände bilden und die verwendeten Rezepturen gemeinsam in Auftragslabors prüfen lassen. Doch für viele kleine Unternehmen sind die Rezepturen das wertvollste Betriebskapital. Sie müssten ihre Erfolgsgeheimnisse für Lacke oder Textilfasern entweder aufwändig auf eigene Kosten dokumentieren lassen oder der Konkurrenz zur Verfügung stellen. Für Importeure hingegen sollen die Auflagen nicht gelten.

Die Folge wäre, dass die europäischen Firmen nicht mehr mithalten könnten und Arbeitsplätze verloren gingen. Gleichzeitig wäre für die Gesundheit nicht viel gewonnen. Giftige Kleider oder Haarfärbemittel von außerhalb der EU gelangten weiterhin in die Läden. Hier besteht Nachbesserungsbedarf. Die Industrieverbände sollen aber nicht so tun, als ob sie sich von Anfang an konstruktiv beteiligt hätten. Seit Jahren werben Verbraucherschützer, EU-Parlamentarier und Kommission dafür, gesundheitsschädliche Stoffe durch ungefährliche Alternativen zu ersetzen. Lange war die Industrie nicht gesprächsbereit – aus Kostengründen. DANIELA WEINGÄRTNER