Der Gleichschalter

Italiens neues Mediengesetz liest sich, als wäre es von seinen Anwälten geschrieben worden. Berlusconi – Premier, Unternehmer, Monopolist

Berlusconi-TV auf allen Kanälen: Wer darüber Witze macht, fliegt hochkant raus

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Als am Dienstagabend Italiens Senat das neue Mediengesetz endgültig verabschiedet hatte, ertönte Beifall nicht nur von den Bänken der Regierungsparteien. Auch im benachbarten Montecarlo wurde heftig geklatscht. Dort tagten gerade 1.500 Manager und Angestellte des Berlusconi-Konzerns Mediaset, und sie hatten allen Grund, sich für ihren Chef zu freuen. Denn Silvio Berlusconi hat nun mit seiner geballten politischen Macht den italienischen Medienmarkt ganz in seinem Sinne geregelt; das Gesetz liest sich, als sei es gleich in der Rechtsabteilung der Mediaset verfasst worden.

Berlusconis erstes und drängendstes Problem hieß „Rete 4“. Den dritten seiner Sender nämlich hätte er nach den bisher gültigen Bestimmungen vom Äther auf Satellit verlegen müssen –und das hätte den Wegfall von etwa 300 Millionen Euro Werbeeinnahmen bedeutet. Das Verfassungsgericht hatte zudem verfügt, dass Rete 4 spätestens zum 31. Dezember 2003 den Umzug vollziehen sollte. Jetzt ist – just vier Wochen vor der Deadline – das neue Gesetz da, und auf dem Papier stellt es jenen Pluralismus her, den die Verfassungsrichter gefährdet sahen.

Statt der elf terrestrisch ausstrahlenden Sender gibt es jetzt nämlich 30 digital-terrestrisch sendende Programme. Die existieren zwar bloß virtuell – aber ganz real darf jeder Anbieter 20 Prozent des fiktiven Markts kontrollieren. Macht sechs Programme; statt eines abzugeben, darf Berlusconi also sogar noch drei dazukaufen.

Einen vollkommen fiktiven Markt erfinden sich die Gesetzesmacher auch, um Höchstgrenzen bei den Werbeeinnahmen zu fixieren. Bisher galt für jeden Anbieter ein Limit von 30 Prozent der in allen Medien geschalteten Werbung. Die Mediaset überschritt zuletzt diese Ziffer deutlich. Kein Problem. Die Grenze wird auf 20 Prozent gesenkt – berechnet aber auf einen Kuchen, der mehrfach größer ist als bisher. Der Trick hat einen schönen Namen: „Integriertes System der Kommunikation“. Da gehört so ziemlich alles zu: die klassischen Werbeeinnahmen, aber auch die staatlichen Rundfunkgebühren, sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von Medien (inklusive CDs) oder auch die Umsätze an den Kinokassen oder das Inkasso der Internet-Provider. Macht laut Schätzung der Wirtschaftszeitung Il Sole 24 Ore etwa 32 Milliarden Euro pro Jahr. Berlusconi darf davon gut sechs Milliarden kassieren und so seine bisherigen Umsätze verdoppeln, ohne gegen irgendeine Konzentrationsrichtlinie zu verstoßen. Sprich: Er allein dürfte als De-facto-Monopolist 90 Prozent aller Werbeetats für alle Medien an sich ziehen, ohne dass das italienische Recht eine marktbeherrschende Stellung gegeben sähe.

Ein Kritiker lästerte, genauso gut könne man die marktbeherrschende Stellung eines Pkw-Herstellers wegrechnen, indem man sich ein „integriertes System der Vehikel“ erfinde und die Verkaufsumsätze von Bussen, Bahnen, Flugzeugen, Fahrrädern, Schiffen und Schubkarren zusammenrechne.

Und schließlich kann Berlusconi – natürlich im Namen der von seiner Koalition immer wieder beschworenen Verteidigung des Pluralismus – endlich auch noch Tageszeitungen und Radiostationen dazukaufen. Auf diese Weise wird nicht nur das kommerzielle Duopol zwischen RAI und Mediaset auf dem Fernsehmarkt zementiert; zugleich werden alle Voraussetzungen für ein umfassendes politisches Monopol auf dem italienischen Meinungsmarkt geschaffen.

Denn die Kontrolle der Regierungsmehrheit über den Staatssender wurde ebenfalls verstärkt: In Zukunft werden vier der neun Verwaltungsratsmitglieder von den Regierungsparteien, zwei weitere direkt von der Regierung benannt. Und Italien wird Berlusconi-Funk auf allen Kanälen erleben.

Was das heißt, können die Zuschauer schon heute verfolgen: Die Satirikerin Sabina Guzzanti widmete sich in ihrer Sendung ausführlich dem neuen Mediengesetz und der erdrückenden medialen Berlusconi-Übermacht; prompt flog sie schon nach der ersten Folge aus dem Programm der mittlerweile fast vollkommen gleichgeschalteten RAI. Zahlreiche Regierungspolitiker nämlich fanden ihre Sendung „nicht zum Lachen“.