Tödliche Botschaften aus Irak

Die im Irak entführte Care-Chefin Margaret Hassan ist mit großer Wahrscheinlichkeit ermordet worden. Filmaufnahmen von US-Marines in einer Moschee in Falludscha haben juristisches Nachspiel

VON BERND PICKERT

„Wir haben so lange gehofft wie wir konnten, aber wir müssen nun akzeptieren, dass Margaret wahrscheinlich von uns gegangen ist und wenigstens ihr Leid zu Ende ist.“ Mit diesen Worten kommentierte die Familie der im Irak entführten 59-jährigen Care-Chefin Margaret Hassan die Nachricht vom Dienstagabend. Da war bekannt geworden, dass der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira schon vor Tagen ein Videoband erhalten hatte, dass die Erschießung einer Frau mit verbundenen Augen zeigt. Die britische Regierung hatte das Band bekommen und untersucht. Außenminister Jack Straw sagte, man habe nach der Analyse der Familie mitteilen müssen, dass „wir jetzt glauben, dass sie ermordet wurde, auch wenn wir das nicht mit allerletzter Sicherheit sagen können.“

Hassan war am 19. Oktober in Bagdad auf dem Weg zum Büro der Hilfsorganisation Care entführt worden. Mehrere Videoaufnahmen, in denen sie um ihr Leben flehte, waren seither veröffentlicht worden, mit zum Teil widersprüchlichen Forderungen der Entführer an die britische Regierung. Wie bisher in allen Entführungsfällen hatte London jegliches Eingehen auf die Forderungen abgelehnt. Premierminister Tony Blair sprach der Familie sein Beileid aus und erklärte sein „Entsetzen“ über den Mord.

Hassan hatte sowohl die britische, irische als auch die irakische Staatsbürgerschaft. Sie lebte seit rund 30 Jahren im Irak und hatte als Leiterin der Hilfsorganisation Care mehrfach die katastrophalen Folgen der UN-Sanktionen auf die irakische Zivilbevölkerung angeprangert und den von den USA und Großbritannien angeführten Krieg verurteilt. Der Sender Al-Dschasira lehnte die Ausstrahlung des Videobandes ab.

Im Halbstundentakt sendeten sowohl Al-Dschasira als auch Al-Arabia hingegen am Dienstag die Aufnahmen von US-Marines in einer Moschee in Falludscha, auf denen zu sehen ist, wie ein US-Soldat einen offenbar wehrlos am Boden liegenden Mann erschießt. Die Aufnahmen, gefilmt von einem freien Kameramann, der im Auftrag des US-Fernsehsender NBC News die US-Truppen als „embedded reporter“ begleitete, waren in westlichen Medien nur ausschnittsweise, in den arabischen Sendern komplett zu sehen.

Die US-Armee hat inzwischen erklärt, der betreffende Soldat sei vorläufig aus den kämpfenden Einheiten abgezogen worden, der Vorfall werde untersucht. In der Vergangenheit hatten US-Medien mehrfach von Vorfällen berichtet, bei denen US-Soldaten zu Schaden gekommen seien, weil Leichen mit Sprengfallen versehen worden seien oder Verwundete Sprengstoffgürtel gezündet hätten.

Der Vorfall hatte sich am Samstag ereignet, als eine Einheit der Marines eine Moschee in Falludscha betraten. Die Moschee, so berichtete der Kameramann, sei bereits am Vortag von einer anderen Einheit angegriffen worden. Dabei seien zehn Aufständische getötet und fünf weitere verletzt worden. Die Verletzten seien notdürftig medizinisch versorgt worden, ihnen seien die Waffen abgenommen worden, worauf sie in der Moschee liegen gelassen wurden. Als die Einheit mit dem Kameramann am Samstag in die Moschee eindrang, waren einige der Verwundeten anscheinend gestorben. Offenbar in der Annahme, der Mann stelle sich nur tot, erschoss ein Soldat einen an der Wand liegenden Verletzten. „Jetzt ist er tot“, kommentierte er danach deutlich hörbar.

In den US-Medien wurden die Bilder verhalten kommentiert. Tenor: Solch ein Verhalten ist unentschuldbar, aber in der Hitze und dem Stress des Häuserkampfes erklärbar.

Ob die US-Armee künftig die Möglichkeiten der „embedded reporters“ stärker einschränken wird, war zunächst nicht bekannt.