das uringelbe gold des iren von RALF SOTSCHECK
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Vorige Woche war an dieser Stelle die Rede von Irlands einziger Medaille bei den Olympischen Spielen in Athen. Springreiter Cian O’Connor holte Gold mit „Waterford Crystal“, doch der Dopingtest danach ergab ein Beruhigungsmittel bei dem Gaul. O’Connor verlangte eine Gegenprobe, doch die kam auf dem Weg ins Labor im englischen Cambridgeshire abhanden. Die Farce geht nun weiter.

Wenigstens wissen sie jetzt, wie die Pferdepisse geklaut worden ist: Ein Mann, der sich als Angestellter des „Forensischen Labors für Pferderennen“ (HFL) ausgegeben hat, hielt den Kurier in der Auffahrt zu dem Labor an und wies sich als Angestellter aus. Der Kurier war zunächst misstrauisch, doch dann erhielt er einen Anruf vom Kundenservice seines Kurierdienstes. Er wurde angewiesen, die Probe herauszurücken, der angeblich Angestellte verpisste sich damit.

Allerdings hat er die Blutprobe zurückgelassen, doch die kann O’Connor nichts anhaben: Das Beruhigungsmittel ist im Blut nicht nachzuweisen. Dennoch hat der Internationale Verband das Restblut nach New York geschickt, wo es heute untersucht werden soll – falls es nicht sicherheitshalber auch noch geklaut wird.

Die Diebe sind ziemlich aktiv. Vorige Woche brachen sie ins Büro des Reitsportverbands im irischen Kill ein und entwendeten Akten. Zwar gelang es ihnen nicht, „Waterford Crystals“ Papiere zu klauen, weil die längst im Besitz der Polizei waren, aber sie entkamen mit der Akte von „ABC Landliebe“. Das ist O’Connors zweites Pferd, bei dem ebenfalls Drogen nachgewiesen wurden, die nur Menschen verabreicht werden dürfen. O’Connors Anwalt Andrew Coonan hat um Polizeischutz für sein Büro gebeten. Warum sie dort einbrechen sollten, verriet er nicht. Schließlich ist es sein Klient, der von der Diebstahlserie profitiert – und dessen Patenonkel Tony O’Reilly, einer der reichsten Männer Irlands, dem nicht nur der britische Independent und andere Zeitungen gehören, sondern auch O’Connors Gäule.

Der Urinthriller hat in Irland jedenfalls mehr Aufmerksamkeit erregt als der Goldmedaillengewinn. „Bis dahin hatte die Nation geglaubt, Springreiten sei zu ungefähr der Zeit abgeschafft worden, als Irland die Weltmeisterschaften im dieser Sportart austragen sollte, aber dann aus finanziellen Gründen absagen musste“, meint der Sportkommentator Tom Humphries. Vielleicht geht es mit dem Reiterverband nun ebenso bergab wie mit dem irischen Schwimmverband, nachdem die dreifache Goldmedaillengewinnerin Michelle Smith des Dopings überführt worden war. Eltern ließen ihre Kinder nicht mehr in die Nähe von stehenden Gewässern, denn die Jugendbetreuer von Smith, inzwischen zu Spitzenfunktionären des Verbands aufgestiegen, landeten im Gefängnis – aber nicht wegen Dopings: der eine wegen jahrelangen Kindesmissbrauchs, der andere wegen Doppelmords. Beim seit Jahren zerstrittenen irischen Reiterpack, das sich im Sportwagen allemal wohler fühlt als auf einem Pferderücken, hegen vermutlich viele ebenfalls Mordgedanken, unter anderem der Goldreiter selbst. Er ist empört: Jemand wolle seinen guten Ruf und den seiner Pferde ruinieren. Ein eifersüchtiger Wallach vielleicht?