„Bush ist besser für Indien“

Die politische Klasse in Delhi setzt auf Staatsräson und nicht auf Sympathie

DELHI taz ■ In den letzten Wochen zierten Bush und Kerry auch die Titelseiten der indischen Politik-Magazine. Das Wochenblatt Outlook stattete beide Kandidaten gleichermaßen mit Girlanden, dem roten Stirntupfer und dem Politikerkäppchen Mahatma Gandhis aus. Die Gunst war allerdings ungleich verteilt. Ähnlich wie das politische Establishment ließen die meisten Kommentare Staatsräson über Sympathie siegen und gaben dem amtierenden Präsidenten den Vorzug. „Bush ist besser für Indien“, meinte auch Pradeep Rao von der Delhi Policy Group, einem privaten Thinktank.

Der Machtdiskurs der globalen Supermacht erhält gerade in einem Land eine positive Resonanz, das selber regionale Vormachtambitionen hegt und darin von Bush unterstützt wird. Selbst in der südasiatischen Atomwaffenpolitik, wo die USA auf Abrüstung drängen, akzeptieren sie de facto Delhis Anspruch auf den Status als Atommacht. Da Washington das atomare Testverbot ebenfalls nicht unterzeichnet, akzeptiert es das Abseitsstehen Indiens.

Traditionell ist das offizielle Indien mit republikanischen Präsidenten besser gefahren als mit demokratischen. Diese nörgelten immer wieder an der Verletzung der Menschenrechte herum, namentlich in Kaschmir. Die Republikaner kümmerte dies wenig, solange aus Delhi Freihandels-Mantras ertönten. Und diese sind in den letzten Jahren immer lauter geworden. Dass sich Kerry beim Outsourcing von Intelligenzarbeit sofort in den protektionistischen Schützengraben warf, wird ihm hier nicht verziehen. Der demokratische Kandidat outete sich als wahlpolitischer Opportunist, und die Verachtung für diesen – in Indien weit verbreiteten – Politikertyp trifft auch Kerry. Bush dagegen wird zugute gehalten, dass er an seinen Prinzipien festhält, auch wenn sie falsch sein mögen.

Viele Inder machen sich keine Illusionen darüber, dass sie nicht nur falsch, sondern auch gefährlich sind. Das Irak-Abenteuer wird auch hier als neuer Frühling für die Rekrutierungsagenten von al-Qaida angesehen. Es hat die weltweite Terrorgefahr vertieft, und es hat auch die regionale Balance wieder zugunsten von Pakistan verschoben, auf dessen Zusammenarbeit die USA angewiesen sind, mehr, als Delhi lieb ist. „Bush mag gut für Indien sein“, sagt Rao, „aber er ist ein Desaster für die Welt. Und zu dieser zählen wir uns ja auch“.BERNARD IMHASLY