DAS STOLPE-MINISTERIUM UND DIE KORRUPTION IM ÖFFENTLICHEN RAUM
: Jeder Skandal verbessert die Lage

Seit dem letztjährigen Debakel um die Autobahn-Maut für Lkws ist dem Bundesverkehrsministerium jeder Skandal zuzutrauen. In einer Vielzahl von Fällen und auf fast allen Ebenen der Zuständigkeit sind hausinterne Prüfer auf Bestechlichkeit, Betrug und ähnliche Formen des Willens zur Bereicherung gestoßen. Und niemand kann sagen, ob sie nicht nur die Spitze des Eisberges entdeckt haben. Alarmistisch aufgewertet, mögen sie als neuerliche Belege für die „korrupte Republik“ gelten.

Aber die Verfehlungen im Hause Stolpe lassen sich auch als Bagatellen betrachten. Denn die Zahlen sind mager: 10 Fälle liegen jetzt beim Staatsanwalt, 21 werden noch geprüft – selbst wenn alle diese Fälle zu Verurteilungen führen, ergibt dies etwa 6 Fälle in jedem der untersuchten 5 Haushaltsjahre. Im Zuständigkeitsbereich eines Ministeriums mit mehreren zehntausend Beschäftigten und 50 Milliarden Euro Ausgaben im Untersuchungszeitraum stellt dies keine dramatische Quote dar. In keinem Fall scheint ein Einzelschaden in sensationeller Höhe vorzuliegen.

Die Aufdeckung und Bekanntgabe von Korruption im öffentlichen Raum stößt im Staatsapparat auf unterschiedliche Interessen. Einerseits will sich keine Fachbehörde mit einem solchen Makel behaften – tatsächlich hat Minister Stolpe zu lange gewartet, bis er Stellen außerhalb seines Hauses in Kenntnis setzte. Andererseits gehört die Aufmerksamkeit, die jeder einzelne Fall hervorruft, zu den schnellsten und kostengünstigsten Mitteln der präventiven Korruptionsbekämpfung – wenn die Spitze der Verwaltung solche Aufdeckungen nicht nur theoretisch fordert, sondern auch praktisch fördert.

Es ist noch zu früh, das vergleichsweise dünne Untersuchungsergebnis aus dem Bundesverkehrsministerium als Beleg dafür zu interpretieren, dass der Höhepunkt der irregulären Bereicherung des öffentlichen Dienstes bereits überschritten ist. Die Revisoren allerdings können zufrieden mit ihrer Arbeit und ihrem Ministerium sein. Sie fanden einiges, aber nicht zu viel. Ihr Minister könnte auf dieses Ergebnis auch stolz sein. DIETMAR BARTZ