Kampf um muslimische Wähler

In Malaysia versuchen die islamistische Opposition und die gemäßigtere Regierung sich darin zu übertrumpfen, die besseren Muslime zu sein. Jetzt könnten Oppositionspläne zur Einführung der Scharia die Regierung in die Defensive drängen

aus Bangkok NICOLA GLASS

Malaysias größte Oppositionspartei, die islamistische „Parti Islam Se-Malaysia“ (Pas) wärmt jetzt alte Pläne wieder auf: Angesichts der für das Frühjahr 2004 erwarteten Parlamentswahlen kündigte die Pas an, bei einem Wahlerfolg einen islamischen Staat errichten zu wollen. Dieser soll vor allem die strenge Auslegung des islamischen Strafrechts beinhalten. Diese Scharia erlaube, Dieben die Hand abzuhacken sowie Ehebrecher und Homosexuelle zu steinigen. Nichtmuslime sollen im multiethnischen und multireligiösen Malaysia allerdings ausgenommen werden.

Die Zurückweisung der Pas-Pläne erfolgte umgehend. Aber nicht der neue Premier Abdullah Ahmad Badawi wies die Islamisten in die Schranken, sondern sein autoritärer Vorgänger, der Ende Oktober nach 22 Jahren von seinem Amt zurückgetretene Mahathir Mohamad: Die Pas spiele bloß ihre alten Tricks, um Wähler zu gewinnen, so der Expremier.

Die islamistische Pas regiert in 2 der 13 Bundesstaaten: seit 1990 in Kelantan und seit 1999 auch im rohstoffreichen Terengganu im Nordosten der malaysischen Halbinsel. Damals waren etliche Wähler von Mahathirs Partei Umno (United Malays National Organisation) zu den Islamisten übergelaufen.

Das Spiel mit der Scharia ist demnach nichts Neues. Ähnliche Gesetze hatte die Pas bereits 1993 in Kelantan beschlossen, aber nie angewandt. Auch in Terengganu war im Sommer ein entsprechender Entwurf mit großer Mehrheit verabschiedet worden. Zwar herrschen dort gesellschaftlich strengere Regeln wie etwa nach Geschlechtern getrennte Kassen in Supermärkten. Doch die strenge Auslegung des islamischen Rechts ist auch dort noch keine Realität. Denn alle bisherigen Scharia-Pläne hat die Zentralregierung der Umno, die offiziell stets einen moderaten Kurs fuhr, bislang durchkreuzt. Die Pas ihrerseits beschimpft den Muslim Mahathir und die Umno als „Ungläubige“.

Ob die Islamisten mit ihrer Strategie Erfolg haben werden, bleibt abzuwarten. Nichtmuslimische Malaysier und selbst Pas-Anhänger reagierten empört. Menschenrechtler hatten die vorgesehene Form der Scharia bereits früher öffentlich scharf kritisiert. Äußerungen von Pas-Führern, junge Frauen sorgten mit unislamischer Kleidung für einen rasanten Sittenverfall, geißelten Frauenverbände als entwürdigend und mittelalterlich. Beobachter bezweifeln auch, dass die Pas bei Wahlen die Regierung des neuen Premierministers Abdullah Badawi besiegen wird. Doch zu unterschätzen ist die größte Oppositionspartei dennoch nicht.

Denn die Auseinandersetzungen um die Scharia werden in einer Zeit wachsender Islamisierung zur machtpolitischen Frage. Es dürfte daher kein Zufall sein, dass der neue Vorstoß der Pas in einer politisch sensiblen Phase erfolgt, in der Premierminister Badawi gerade zwei Wochen im Amt ist. Ein Schlingerkurs der Umno könnte der Pas zusätzlichen Aufwind bescheren: Diverse Gruppen innerhalb der Zentralregierung, die islamistischen Strömungen stets entgegentrat, versuchen sich neuerdings in einer wenig glaubwürdigen Kehrtwende als Sammelbecken konservativer Muslime zu präsentieren, um Wähler zurückzugewinnen. Hinzu kommt: Die Pas will auch das repressive Sicherheitsgesetz abschaffen, das Verdächtige ohne Haftprüfung zu inhaftieren erlaubt und dessen sich Expremier Mahathir bediente, um innenpolitische Gegner auszuschalten. Vor den Wahlen dürfte der Umgang mit der offensiv islamistisch auftretenden Pas für den als zurückhaltend geltenden Premier Badawi ein schwieriger Spagat werden.