Außerirdische Abzocke

Erich von Däniken vermarktet seine Ufo-Theorien jetzt in einem „Mystery Park“ im Schweizer Interlaken. Ein Besuch der Welt der Rätsel ist ein Bildungserlebnis der zweifelhaften Art

VON GEORG ETSCHEIT

Der Meister wirkt angespannt. Beim Sprechen saugt Erich von Däniken wie ein Süchtiger an seiner Zigarette, presst den Filter dabei so fest zusammen, als wolle er seinen Kritikern in Gedanken die Kehle zudrücken. Heute ist ein strahlender Spätsommertag und der riesige Parkplatz auf dem ehemaligen Flugfeld der Schweizer Armee in Interlaken ist nur spärlich besetzt. „Samstag und Sonntag sind im Sommer bei schönem Wetter die schlechtesten Tage“, klagt von Däniken. „Aber bei miesem Wetter ist alles rappelvoll.“

Denn wenn die Sonne scheint, zieht es die Touris immer noch zuerst in die Berge. Und die sind hier im Berner Oberland schöner als anderswo. Weltberühmtheiten wie Eiger, Mönch und Jungfrau hocken wie auf dem Präsentierteller. Vor einem Jahr hat der Schweizer Ufo-Guru, von seiner Fangemeinde kurz EvD genannt, in der Gemeinde Matten, einem Ortsteil von Interlaken, seinen „Mystery Park“ eröffnet. Bis Juli 2004 kamen eine halbe Million Besucher, um in die „Welt der Rätsel“ einzutauchen. Der „Mystery Park“, ein multimedialer Themenpark auf einer Fläche von 70.000 Quadratmetern, ist Edutainment mit Esoterik-Touch – ein Bildungserlebnis der zweifelhaften Art. Wer sich auf das Abenteuer einlässt, soll sich eine Weltreise sparen können – von Stonehenge und den Pyramiden von Gizeh bis zu den angeblichen Landebahnen der Außerirdischen im peruanischen Nasca. „Die wenigsten Menschen haben ja Zeit und Geld, um das alles zu erleben“, sagt der Globetrotter von Däniken.

Aus der Vogelperspektive wirkt der „Mystery Park“ wie eine zu Boden gegangene Raumstation. Die Mitte des Ensembles bildet ein silbrig glänzender, von einer riesigen Kugel gekrönter Turm im Science-Fiction-Look. Ganz oben gibt es eine Aussichtsplattform, ein Stockwerk tiefer residiert Erich von Däniken in einem Panoramabüro. Um den Turm herum sind, durch transparente Wandelgänge verbunden, sieben Pavillons und der Eingangsbereich gruppiert

Mit seinem „Mystery Park“ hat sich der geschäftstüchtige Alien-Experte kurz vor seinem 70. Geburtstag ein bizarres Denkmal gesetzt. 1968 hatte der ehemalige Jesuitenschüler, Schiffssteward und Hotelier, der auch mal wegen eines Steuervergehens im Knast saß, seinen ersten Bestseller gelandet. Millionen von Lesern verschlangen seine „Erinnerungen an die Zukunft“, in der der Hobbyarchäologe anhand literarischer Quellen und bodenkundlicher Hinweise seine gewagte These präsentierte, Raumschiffe Außerirdischer hätten der Erde in grauer Vorzeit einen Besuch abgestattet und den Anstoß zur Entwicklung der menschlichen Zivilisation gegeben. Längst ist von Däniken einer der erfolgreichsten Buchautoren der Welt. 2004 hatten seine 26 in 32 Sprachen übersetzten Bücher eine Gesamtauflage von fast 60 Millionen Exemplaren erreicht. In den letzten Jahren war es um den Mann, der Bestseller am Fließband produzierte, still geworden. Jedenfalls bis zur Eröffnung des „Mystery Parks“.

Zunächst sah es so aus, als sei das 57-Millionen-Euro-Projekt zum Scheitern verurteilt: Naturschützer beklagten die Verschandelung der Landschaft und gewaltige Verkehrsströme in der sensiblen Region zwischen Thuner und Brienzer See; Bauern wollten ihr Pachtland nicht hergeben. Auch ging der Verdacht um, im Berner Oberland solle so etwas wie der Stützpunkt einer gottlosen Sekte entstehen. Schließlich hatte von Däniken sogar den Gott der Bibel als fehlinterpretierten Raumfahrer decouvriert.

In zäher Lobbyarbeit focht von Däniken für sein Projekt. „Die herrliche Berglandschaft nützt nichts, wenn es zehn Tage lang schüttet“, war das Argument, mit dem er die Touristiker überzeugen konnte. Und seit der Park fertig ist und die Besucher strömen, scheint wieder Friede eingekehrt. Überall in der Stadt wird für den „Mystery Park“ geworben. Großunternehmen wie Sony, Coca Cola oder Swatch sponsern die als AG firmierende Betreibergesellschaft.

Wer das Gelände erkunden will, wird zunächst mit einer blinkenden Box verkabelt, dem funkgesteuerten Info-System „Kosy“, das die Besucher via Ohrstöpsel auf ihrem Trip zu den letzten Menschheitsrätseln begleitet. „Megastones“ nennt sich der Pavillon, in dem es um das Rätsel von Stonehenge geht, der prähistorischen Kultstätte in Südengland. Auf der Bühne stehen ein gutes Dutzend Kunststoffmonolithen im Disconebel herum, grün und lila angeleuchtet. Dazu geheimnisvolles Zikadengezirpe vom Band. Als die Show beginnt, blitzen bunte Laser auf. Die Stimme aus dem Kopfhörer bietet verschiedene Theorien zum ursprünglichen Zweck der Anlage. Darunter die Version, dass es sich bei Stonehenge offenbar um das „verkleinerte Modell des Sonnensystems“ handele. Darin sei schon der „Asteroidengürtel“ dargestellt, obwohl der in der Jungsteinzeit noch gar nicht bekannt gewesen sei. „Werden wir das Rätsel lösen, bevor Mensch und Zeit dieses Denkmal aus tiefer Vergangenheit zerstören?“, fragt die dräuende Stimme aus dem Kopfhörer. In diesem Moment fällt – rums! – im Zeitlupentempo einer der Kunstfelsen um. Nach einer guten Viertelstunde ist das Spektakel etwas abrupt zu Ende. Kosy schweigt .

Zu jeder der sieben „Mainshows“ gehören so genannte Sideshows. Darin werden in mystisch abgedunkelten Räumen maßstabsgetreue Repliken anderer Wunderdinge gezeigt, etwas die berühmten Grabplatte aus dem mexikanischen Palenque, die nach landläufiger Interpretation einen Maisgott oder Priester zeigt. Von Däniken interpretiert das Kunstwerk als vorzeitlichen Astronauten auf einem Feuerstuhl. Im Pavillon „Contact“ präsentiert der Ufo-Guru mittels Rundumprojektion seine Deutung einer Vision des Propheten Ezechiel aus dem Alten Testament: Der computeranimierte Vorfahre beobachtet die Landung eines Raumschiffes mit „gewaltigen Helikopter-Einheiten“ und lässt sich schließlich von dem Gefährt in eine geheimnisvolle Stadt entführen. „Eine unglaubliche Begegnung. Die Beschreibung in den alten Texten ist zu präzise, als dass sie nur der Fantasie entspringen könnte“, raunt der Kommentator auf einer im Boden des Vorführraums eingelassenen Leinwand. Zum Schluss soll sich laut Drehbuch ein verkleinertes Modell des seltsamen Flugapparats von der Decke auf die Zuschauer herabsenken. Das Ding klemmt. „Rückvergütungen können im Fall von technischen Pannen bei einzelnen Shows nicht gewährt werden“, heißt es vorsorglich im Info-Flyer.

„Die Menschen sollen das Staunen wieder lernen. Die faszinierende Schwingung der Neugierde soll hier in Bewegung gesetzt werden“, sagt von Däniken pathetisch. Der Park solle nur Fragen stellen, keine Antworten geben. Das Staunen scheint bei manchen Zuschauern angesichts der matten Darbietungen zuweilen in Gähnen umzuschlagen. „Das ist wie im Kino“, sagt eine junge Schweizerin, die mit ihrem Freund in den „Mystery Park“ gekommen ist und sich „mehr erhofft“ hatte. In einem Interview mit dem Schweizer Tagesspiegel erklärte Däniken sein pädagogisches Programm: „Keep it simple and stupid“. Niemand gebe „48 Franken aus, um sich den ganzen Tag belehren zu lassen“.

In der Tat – ein billiges Vergnügen ist der „Mystery Park“ nicht. Eintritt für Erwachsene 48 Franken (52 Euro), für Kinder 28 Franken. Die Parkgebühr schlägt mit fünf Franken zu Buche. Wer seine Gören im „Mysty Club“- Kinderhort abliefern will, ist pro Kind und Stunde mit sechs Franken dabei. Im zentralen Bereich des „Mystery Parks“ geht’s dann richtig zur Sache. Da kann man per „Space Beam“ eine E-Mail in den Orbit senden oder sich im „Fun Shuttle“ durchschütteln lassen. Natürlich kostenpflichtig. Schließlich verlocken zahlreiche Andenkenshops und Bücherläden dazu, die Geldbörse zu zücken. Für die Kleinen gibt es das Kinderbuch „Mysty und die Geheimnisse der Maya“, für die Großen die „Welt der Mythen“ vom Dalai Lama oder eine der zahlreichen Däniken-Schwarten. Im Web-Shop warten sogar Aktienzertifikate auf interessierte Anleger. „Wir geben Aktien mit einem sehr kleinen Nominalwert von zehn Franken heraus. Deswegen haben wir schon 12.800 Kleinaktionäre“, jubelt Erich von Däniken in seinem Panoramabüro. Für die könnte sich die wahrhaft außerirdischen Abzocke vielleicht sogar lohnen.

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