„Die Zuschauer sollen sich mit mir wohl fühlen“

Eigentlich war Christa Haas schon immer eine besondere Sportreporterin. Doch erst seit den Olympischen Spielen kennt sie jeder – als Gesicht des ZDF. Kennt man sie wirklich?

„Mein Mann rief mich an: Weißt du, dass du mit dem Stev ein Verhältnis hast?Ich sagte: Das wüsste ich aber“

INTERVIEW SUSANNE LANG
UND PETER UNFRIED

taz: Frau Haas, woran hat es denn jetzt gelegen?

Christa Haas: Was?

Olympia!

Beim ZDF oder bei mir?

Wir hatten das Gefühl, das sei eine Frage, die man stellen muss.

Ich hätte sie vor allen Dingen gerne beantwortet gehabt.

Kann man das überhaupt?

Ich gebe zu: Es ist eine Frage, die man normalerweise nicht stellen sollte. Nicht in der kurzen Interviewzeit. Du hast maximal eine Minute. Trotzdem: Was willst du in dem Moment anderes fragen?

Wie wär’s mit: Wie fühlen Sie sich?

Ich will niemanden bloßstellen, das ist eine Maxime von mir. Ich will als Reporterin immer noch Mensch sein.

Sie bangen mit den Sportlern?

Ja, nach der 4 x 100-m-Freistil-Staffel zum Beispiel. Bronze war auf jeden Fall drin, aber Franzi …

Franziska van Almsick …

… hat es ein bisschen verzockt. Und du denkst: Nein, nein – die erste Medaille ist schon weg! So fing es in Sydney auch an. Ich kenne die Mädels ja schon länger. Franzi kommt vor die Kamera und weiß genau, dass das keine gute Leistung von ihr war. Und sie weiß auch, dass ich das weiß. Aber sie kommt. Ich denke: Wie kriege ich das jetzt hin? Sie muss doch noch die 200 Meter Freistil schwimmen! Obwohl es nicht meine Aufgabe ist.

Sie sagten dann live den legendären Satz: Ich hab versucht, es positiv zu wenden. Warum wollen Sie das?

Mir tun die Mädels dann einfach Leid. Das Gespräch ging in die Hose. Gebe ich auch zu. Typisch Christa. Einfach zu viel Menschlichkeit. Hinterher dachte ich auch, dass ich straighter hätte sein müssen. Als Journalist.

Für die Fachanalyse hatten Sie einen Experten, den Schwimmer Stev Theloke. Haben Sie sich den selbst ausgesucht?

Das war eine Gemeinschaftsentscheidung vom gesamten ZDF-Schwimmteam. An Stev schätze ich sehr, dass er nicht draufschlägt, aber die Wahrheit sagt. Und wenn er sie nicht sagen kann, gesteht er das ein. Weil er noch die nächsten vier Jahre weiter schwimmen möchte. Ich finde es einen Jammer, dass sich alle nur an seinem sächsischen Dialekt gerieben haben. Und daran, dass wir zu eng nebeneinander standen.

In Deutschland wurde getuschelt.

Ja. Mein Mann hat mich angerufen und gefragt: Weißt du eigentlich, dass du mit dem Stev ein Verhältnis hast? Ich sagte nur: Och komm, das wüsste ich aber.

Die zärtlichste Beckenromanze der Spiele. Stand in Bild.

Also, dieser Raum war 1,50 Meter breit und zwei Meter lang. Das sah aus wie ein eingezäunter Hasenstall. Der Theo ist 2,02 Meter groß, ich bin 1,66. Das kriegst du nicht ins Bild. Die Kamera musste immer im Weitwinkel filmen.

Sie beide wurden immens beachtet. In den Zeitungen war es ja noch harmlos …

Aber im Internet war es richtig böse. Besonders gegen mich.

Können Sie darüber lachen?

Nein. Dazu bin ich ein zu emotionales Kerlchen. Gerade wenn man live im Fernsehen arbeitet, finde ich konstruktive Kritik gut. Um über Veränderungen nachzudenken, wenn man Defizite oder eine gewisse Wirkung hat.

Ändern Sie sich jetzt?

Soll ich mir die Haare schwarz färben? Eine Glatze scheren?

Es klang so, als hätten sie so etwas in Erwägung gezogen.

Es muss Gründe geben, warum meine Wirkung nicht so war, wie ich es mir gewünscht hätte. Ich möchte, dass der Zuschauer mich kennt und sich mit mir wohl fühlt. Wenn das nicht der Fall ist, muss man etwas ändern. Letztlich kriegt man aber auch die Unzufriedenheit mit der Leistung der Sportler ab.

Und schon ist man das „Gesicht des Debakels“, wie über Sie geschrieben wurde.

Ja, das war ich in dem Moment.

Andererseits haben Sie die Menschen berührt: Woran man sich reibt, das interessiert.

Das sagte mir mein Mann auch.Wäre man unwichtig, würde keiner über einen schreiben.

Vielleicht haben die Zuschauer auch eine falsche Vorstellung von Ihrer Arbeit.

Man darf grundsätzlich von dem Zuschauer gar nichts verlangen. Ich bin dazu da, ihm alles zu geben, was er braucht.

Was denn?

Die Gründe für eine sportlichen Leistung, aber auch die menschliche Reaktion des Sportlers. Information und Unterhaltung.

Warum kann man Verlierergeschichten nicht gut erzählen?

Weil ich die Enttäuschung über die Niederlage nicht rausreißen kann. Alles, was ich machen könnte, wäre unpassend: hochloben ebenso wie draufschlagen. Ich als Sportredakteurin möchte den Menschen etwas anderes bieten als die Probleme, die sie selbst haben. Dazu stehe ich. Das geht natürlich in die Hose, wenn keiner gewinnt.

Wie gehen Sie mit eigenen Niederlagen um, Frau Haas?

Ich versuche immer, das Positive daraus mitzunehmen. In Seoul hatte ich meinen persönlichen Tiefpunkt. In diesem Moment habe ich alles hinterfragt. Als ich daraufhin 1992 in Barcelona nur noch die Sportnachrichten auf 3sat moderiert habe, stellte ich mir die Frage, ob ich diesen Beruf gerne mache oder nicht.

Was ist passiert?

Ich bin damals komplett zusammengebrochen. Zu viel Arbeit, zu viel Party. Ich hatte Arbeitsverbot. Und landete dann in einer Herz-Kreislauf-Klinik. Das sind alles Dinge, die man nicht weiß. Das ist auch nicht wichtig, die Zuschauer haben das Recht, gesunde Leute auf dem Bildschirm zu sehen. Die das leisten können, was man von ihnen erwartet.

Und dann kamen Sie zurück?

Ja, Stück für Stück. Weil ich den Beruf gerne mache. Darüber und über die psychischen Kämpfe schreibe ich auch in meinem „Olympia Tagebuch“. Wie das ist, wenn man zusammengebrochen ist. Wenn man nicht mehr besetzt wird, nicht mehr gebraucht wird im Beruf, weil die Leute auch Angst um einen haben. Ich hatte damals auch Panikattacken.

Das verarbeiten Sie im Buch?

In Teilen. 20 Jahre Olympische Spiele sind mein Leitfaden, gemischt mit biografischen, aber auch unterhaltsamen Episoden.

Eine Lebenskrise hört sich nicht unterhaltsam an.

Ich hatte ja auch meine schönen Erlebnisse. Sydney etwa, das waren meine schönsten Spiele.

Diese persönliche Note, unterscheidet sie die von anderen Journalistinnen im Sport?

Ich weiß nicht. Aber ich würde mich nicht ändern wollen. Wenn ich etwas sage, stehe ich auch dazu. Unabhängig von der Meinung anderer.

Unser Eindruck ist: Sie wirken als Frau – im Unterschied zu vielen Kolleginnen.

Das würde mein Mann auch sagen. Ich bin verdammt gerne Frau. Aber ich wirke als Frau bestimmt anders, wenn ich auf dem Bildschirm zu sehen bin. Weil ich greifbar und straight sein muss.

Bei dem Begriff straight fällt uns eher Ihre Kollegin Monica Lierhaus ein.

Sie hat sicher nicht so viele Ecken und Kanten wie ich. Zu denen stehe ich. Ich wollte auch nie Fußball machen.

Fußball ist die populärste Sportart.

Muss ich sie deswegen kommentieren?

Wollten Sie denn?

Nein. Es heißt ja, dass die Emanzipation der Sportjournalistinnen darüber kontrolliert wird, wie weit sie im Fußball eingesetzt werden. Völliger Käse. Warum werde ich denn darauf reduziert? Ich schaue mir gerne ein gutes Spiel an. Ich verstehe auch, dass Fußball wichtig ist für Deutschland. Aber ich muss es nicht moderieren.

Nie vom „Sportstudio“ geträumt?

Nein. Zu viel Fußball.

Wie haben Sie sich dann in dieser Männerdomäne durchgesetzt?

Ich bin da ein Sonderfall. Obwohl ich auch meine Kämpfe hatte, als ich vor 20 Jahren anfing. Damals gab es in Europa keine einzige Frau, die etwas mit Motorsport zu tun hatte. Motorsport fand ich aber schon immer gut. Aber ich wollte nie moderieren. Bis Dieter Kürten mich dazu überredet hat. Dieter sagte: Mädel, wenn ich dir sage, dass du Talent hast, dann machst du das – sonst kriegst du Ärger mit mir; aber deine Ringelhosen musst du dann ausziehen.

Ringelhosen?

Ja, ich war, wie man so sagt, angefreakt: lange Mähne, Motorradfahrerin. Für die Moderationen musste ich mir Sachen kaufen, die nicht zu mir passten. Ich im Blüschen? Das ging damals überhaupt nicht. Dann haben sie mir die Haare mit dem Föhn glatt gezogen. Vier Wochen später habe ich moderiert.

Wenn Sie sich heute ansehen, finden Sie sich wieder?

Ja. Normalerweise müsste man in meinem Alter die Haare kürzer tragen.

Wer sagt das?

Na ja, mit 50 ist man entweder geliftet oder trägt die Haare kurz, weil es jünger macht. Ich will aber keine kurzen Haare, die stehen mir auch nicht. Oder das Ringelshirt. Damit sollte man mit 50 auch nicht mehr am Beckenrand stehen.

Das lassen Sie sich aber nicht vorschreiben?

Nein. Ich mag Ringelshirts.

Können Sie eigentlich gut mit Frauen arbeiten?

Ja. Und ich freue mich über jede Frau, die in den Sport kommt. Sie bekommt von mir jede Unterstützung.

Zickenfaktor?

Finde ich schade. Unnötig.

Interessant, dass Ihr Chef, Wolf-Dieter Poschmann, Sie live auf Sendung nicht für Ihre Berichterstattung lobte, sondern für Ihre zerzausten Haare.

Da musste ich auch lachen. Ich glaube, das war eine spontane Reaktion. Er hat mich so gesehen und sich gedacht: Hoppala. Das war nicht despektierlich gemeint, so ist er halt. Ich hatte wirklich meine liebe Not mit meinen Haaren; dieser Wind – egal wie du stehst, du siehst bescheuert aus. Und du bist nun mal im Fernsehen.