Bangkok soll schöner werden

Im Vorfeld des Gipfeltreffens der Asien-Pazifik-Staaten wird die thailändische Hauptstadt aufpoliert. In den Augen der Behörden stören da Bettler und Obdachlose nur. Deshalb sollen sie verschwinden. Menschenrechtler kritisieren diese Maßnahmen

aus Bangkok NICOLA GLASS

Die Umgebung rund um den Sanam-Luang-Park im Herzen von Bangkok ist in diesen Tagen eine Baustelle: Reifenspuren auf dem Rasen, aufgebrochener Beton, Eisenpodeste am Straßenrand. Thailands Hauptstadt putzt sich heraus. Seit Wochen laufen bereits die Vorbereitungen für den Wirtschaftsgipfel der Asien-Pazifik-Staaten (Apec). Rund 21 ausländische Staats- und Regierungschefs werden um den 20. Oktober erwartet, unter ihnen US-Präsident George W. Bush und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin.

Doch die von der Regierung lancierte Aktion „Bangkok soll schöner werden“ hat auch ihre Schattenseiten: Rund 10.000 Bettler, Wohnungslose, Prostituierte und Straßenkinder, an vielen Orten der Stadt ein gewohntes Bild, sollen verschwinden – vor allem von touristischen Anziehungspunkten und öffentlichen Plätzen. Den hochkarätigen Apec-Teilnehmern soll eine makellose Hauptstadt präsentiert werden. Bereits am Montag wurde damit begonnen, mehr als 600 illegal in Thailand lebende Kambodschaner, hauptsächlich Frauen und Kinder, mit Militärflugzeugen direkt nach Phnom Penh abzuschieben. Die Behörden wollten damit sicherstellen, dass die deportierten Bettler von dort aus nicht so rasch wieder an die kambodschanisch-thailändische Grenze gelangen.

Erst kürzlich hatte Premier Thaksin Shinawatra Arme und Obdachlose als „schwache Charaktere“ bezeichnet. Sie bräuchten „körperliche und geistige Schulung, um sie für eine Anstellung und die Herausforderungen des Lebens abzuhärten“, zitierten thailändische Medien den Regierungschef.

Die Behörden hatten diese Maßnahmen Mitte September angekündigt und die süffisante Begründung gleich mitgeliefert: Jene Aktionen zielten darauf ab, die Betroffenen davor zu schützen, Verbrechen zu begehen oder selbst Opfer von Verbrechen zu werden, wie der stellvertretende Polizeichef, Wirote Jantarangsi, erklärte.

Und der Bangkoker Gouverneur Samak Sundaravej, der erst kürzlich eine entsprechende Aktion gegen Straßenhunde durchgezogen hatte, hatte Arme und Obdachlose gar mit den vierbeinigen Streunern verglichen. Man werde den Aufgegriffenen aber zunächst die Chance geben, freiwillig „nach Hause“ zurückzukehren, so Samak zum Auftakt der populistischen Kampagne. Wer dies nicht tue, werde außerhalb von Bangkok in einem Lager landen. Dort soll angeblich Ernährung auf Staatskosten gewährleistet werden.

Für Kritiker ist dies blanker Zynismus: Menschenrechtler und Akademiker bezeichneten die Kurzschluss-Kampagnen als bloße Kosmetik. Die Probleme würden damit lediglich unter den Teppich gekehrt, heißt es in einer Stellungnahme der „Human Settlement Foundation“. Sie berichtet über Pläne, einheimische Obdachlose unter anderem in eine 200 Kilometer von Bangkok entfernte nordöstliche Provinz zu schaffen. „Die Regierung versucht nur wegen Apec, die Wohnungslosen abzuschieben“, kritisiert der Aktivist Suwit Watnoo. „Eine langfristige Lösung muss her, an der sowohl die Wohnungslosen als auch die Behörden und Nichtregierungsorganisationen beteiligt sind.“

Vor mehr als zwei Jahren, erklärten Suwit Watnoo und seine Kollegin Wipada Kittikowit, hätten offizielle Stellen schon einmal angeordnet, Obdachlosen den Zutritt zum Sanam-Luang-Park zu verbieten. Ihre Organisation habe jedoch deutlich gemacht, dass man für die Betroffenen alternative Schlafplätze schaffen müsse. Doch bis heute sei nichts in dieser Hinsicht passiert, bedauern die Aktivisten.

Auch seien Obdachlose keine Bettler: Viele hätten zwar keinen festen Wohnsitz, verdienten aber ein bisschen Geld im Straßenverkauf oder in Fabriken. Sie gewaltsam aus Bangkok herauszuschaffen, sei keine menschenwürdige Lösung. Und mit deutlicher Ironie meint Wipada Kittikowit: „Bangkok wird schön aussehen – zumindest zum Apec-Gipfel.“