Kerry-Trommeln in Deutschland

Rein rechnerisch könnten die in Deutschland lebenden US-Demokraten die Präsidentschaftswahl entscheiden. Die Schwester des Präsidentschaftskandidaten John Kerry soll ihnen dabei in München helfen. Und eine neue Internet-Website

AUS MÜNCHEN THILO KUNZEMANN

Diane Kerry kann sich nicht entscheiden. Mal ist sie die kleine Schwester des Präsidentschaftskandidaten und sagt stolz: „Mein Bruder hat das drauf.“ Dann erinnert sie sich wieder an ihre Wahlkampfmission und preist die „großartigen Fähigkeiten von Senator John Kerry“. Wobei sie selten John Kerry sagt, sondern seinen Vize gleich mit erwähnt: „JohnKerryandJohnEdwards“. Genau so, ohne Pause. Zwei Männer, eine Aufgabe. „Mit eurer Unterstützung werden JohnKerryandJohnEdwards die Wahl zurückholen, die uns gestohlen wurde“, sagt die 57-jährige grau gelockte Dame, und der Saal johlt.

Nur knapp 200 Exilamerikaner hat der berühmte Name ins Münchner Wirtshaus in der Au gelockt. Die Wahl wird das kaum entscheiden. Dass Diane Kerry trotzdem gekommen ist, liegt am amerikanischen Wahlsystem und an Susan Dziedusky-Suinat. Die in München lebende Amerikanerin hat eine Website entwickelt, auf der sich US-Bürger weltweit für die Wahl am 2. November anmelden können. Anders als in Deutschland gibt es in den USA kein zentrales Wahlregister. Wer abstimmen will, muss sich Wochen vorher in seinem Bundesstaat registrieren lassen. Der US-Präsident wird nicht direkt gewählt. Jeder Staat wählt einzeln und schickt je nach Bevölkerungsgröße eine bestimmte Anzahl Wahlmänner nach Washington. Diese Delegierten ernennen später den Präsidenten. Erhält ein Kandidat in einem Bundesstaat die Mehrheit, so werden alle Wahlmänner dieses Staats für ihn votieren. Die Stimmen für die Gegenseite verfallen.

„Jede Stimme zählt“, sagte sich Diane Kerry deshalb und gründete vor einem Jahr die Wahlkampforganisation „Americans Overseas for Kerry“. In Deutschland leben 210.000 US-Amerikaner. Sie gelten als weltoffener und liberaler als ihre Mitbürger an der Heimatfront, potenzielle Kerry-Wähler also. Doch bisher wählten nur wenige. Mit Unterstützung von „Americans Overseas for Kerry“ entwickelte Susan Dziedusky-Suinat www.overseasvote2004.com. Seit drei Wochen ist die Internetseite online. Doch in Deutschland haben sich nur knapp 900 Wählern registriert. Diane Kerrys berühmter Name soll das ändern. „Es ist großartig wieder hier zu sein“, sagt Mrs. Kerry. Anfang der 70er-Jahre arbeitete sie für das Olympische Komitee in München. „Es war toll, doch dann kam dieser schreckliche Anschlag auf die Spiele.“ Diane Kerry zog es nach dem Attentat weiter. Bis zur islamischen Revolution im Februar 1979 lebte sie in Iran. Dann verschlug es sie nach Bangkok, später in die indonesische Hauptstadt Jakarta. Die Wahlkampfstrategen der Republikaner hätten sie wohl als unpatriotischen Althippie dargestellt. Bei den Expatriots, wie sich die Auslandsamerikaner nennen, sorgt ihre Weltläufigkeit aber für Anerkennung. „Es ist mir egal, wann ihr das letzte Mal gewählt habt“, sagt sie zum Abschluss ihrer Rede. In der Dominikanischen Republik habe sie mit einem Amerikaner gesprochen, der das letzte Mal für Dwigth D. Eisenhower gestimmt hatte. „Kein Problem, Hauptsache, er wählt diesmal. Denn dies wird die wichtigste amerikanische Wahl unseres Lebens.“ Und nun klingt sie nicht mehr wie eine kleine Schwester und auch nicht wie eine professionelle Wahlkämpferin, sondern wie eine echte Weltbürgerin.